Jubelzeit

Grübeln, Fragen – das ist leichter als Jubeln. Denn Jubeln ist ein Ausdruck der Freude. Von Redakteurin Catharina Volkert.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: "Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet." aus Sonnbe Joh 16, 18.
Jeden Morgen, wenn ich den Bahnhof Altona verlasse und die letzten Meter zur Redaktion zu Fuß gehe, sehe ich einen Mann. Er kniet gleich zu Beginn der Unterführung, die vom Bahnhof abgeht und unterhalb der Max-Brauer-Allee verläuft. Ein kalter Wind weht hier fast immer hindurch. Passanten hasten, vermummt in ihre Mäntel, zu ihren Büros.

Direkt zu Beginn der Unterführung ist der Platz des Mannes. Vor ihm steht ein Pappbecher. Dort kniet er – und wartet. Eines Morgens sehe ich von weitem ein Mädchen, das sich, die Hand ihres Vaters haltend, zu dem Becher hinabbeugt und einige Münzen hinein wirft. Sie geht weiter, dreht sich noch einmal um und winkt dem Mann mit einer weiten Armbewegung zum Abschied. Der Mann winkt mit einer ebenso großen Bewegung zurück. Lebensenergie erfüllte seinen gekrümmten Körper – es ist, als ob er jubelte.
Das Kirchenjahr ist eine Jubelzeit. Dieser Sonntag heißt „Jubilate“, jubelt! Ein Sonntag mit Aufforderung, das Ausrufezeichen gehört zu ihm wie das Läuten der Kirchenglocken. Ein Strahlen verspricht er auf den Gesichtern der Gläubigen in der österlichen Freudenzeit. Die ersten Maiglöckchen blühen in den Vorgärten, die Jugendlichen werden konfirmiert – der Herr ist erstanden. Wenn das kein Grund zum Jubeln ist.

Abe die Jünger jubeln nicht. Sie grübeln. Sie verstehen ihren Herren nicht. Sagt doch Jesus zu ihnen, dass sie ihn in einer Weile nicht mehr sehen werden. Aber dann, wieder nach einer kleinen Weile, werden sie ihn sehen. Die Jünger tuscheln, überlegen. Sie grübeln statt zu jubeln.
Grübeln, Fragen. Das ist leichter als Jubeln. Denn Jubeln ein Ausdruck der Freude, direkt aus dem Herzen, ohne Umwege durch den Kopf.
Die Unterführung des Bahnhofs ist ein Umweg für den Kopf. Sie wirft Fragen auf, wenn ich jenen Mann dort morgens auf dem kalten Steinboden dem eisigen Wind ausgesetzt sehe.
Diese Fragen bleiben. Aber an ihrer Seite ist nun das Jubeln. Das Winken des Mannes, seine große Bewegung hin zum kleinen Mädchen und seine Lebensenergie. Ein Moment war es, dann sackte er wieder in sich zusammen.
Unsere Autorin:
Catharina Volkert, Redakteurin bei Evangelische Zeitung in Hamburg-Altona.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.