Journalist Haberl: Säkulare Gesellschaft braucht die Kirche

Ein Niederbayer outet sich in einem liberalen Magazin als gläubiger Katholik. In einem neuen Buch erklärt er jetzt, warum er sich bei Gott besser aufgehoben fühlt als bei Technik-Gurus wie Elon Musk oder Jeff Bezos.

Der Münchner Journalist Tobias Haberl vermisst eine differenzierte Sicht auf die Kirche. Ihn wundere, warum so wenige neugierig darauf seien, “ob es in der Kirche vielleicht noch etwas anderes geben könnte als Missbrauch und Vertuschung”, sagte Haberl in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Tatsächlich ist die Kirche nicht nur eine fehlerhafte Institution, sondern auch eine Gemeinschaft von Menschen, in der Werte vermittelt werden, auf die unsere säkulare Gesellschaft dringend angewiesen ist: Nächstenliebe, Vergebung, Aussöhnung.”

Haberl fügte hinzu: “Ich möchte nicht in einer Welt leben, die sich Technik-Gurus wie Elon Musk und Jeff Bezos für uns ausgedacht haben.” Am 2. Oktober erscheint Haberls neues Buch “Unter Heiden. Warum ich trotzdem Christ bleibe”. Der Journalist hatte vor anderthalb Jahren im Magazin der “Süddeutschen Zeitung” unter demselben Titel einen Essay veröffentlicht. Daraufhin bekam er nach eigenen Angaben mehr als 500 Zuschriften überwiegend positiven Inhalts. Das habe ihn überrascht, weil er mit einem Shitstorm gerechnet habe.

Der 49-jährige Niederbayer sagte, er habe nie schlechte Erfahrungen mit der Kirche gemacht. Dafür sei er dankbar. Auf die Frage nach seinem stärksten Argument für ein Leben mit Gott antwortete er: “Dass da jemand ist, von dem ich mich bedingungslos erkannt und geliebt fühle, ohne dass ich auf mich aufmerksam machen muss.”

Haberl bezeichnet sich selbst als “politisch liberal, aber liturgisch konservativ”. Die lateinische Messe im alten Ritus nennt er seine spirituelle Heimat. “Ich empfinde eine Ehrfurcht, die mich freiwillig auf die Knie sinken lässt – eine grandiose Erfahrung.” Er plädiere aber für religiöse Vielfalt “unter dem Dach des Glaubens”.

In den innerkatholischen Debatten um Veränderungen positioniert sich der Journalist als gemäßigter Reformer. “Ich bin für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und kann mir einen freiwilligen Zölibat vorstellen.” Bei der Frage, ob Frauen auch Weiheämter bekommen sollen, sei er “hin- und hergerissen”. Kirche sollte “auf eine zeitgemäße Art unzeitgemäß” sein. Veränderungen seien möglich, sollten aber “nicht zu schnell und nicht zu radikal” erfolgen. “Auf keinen Fall darf sie nur noch unanstößige Dinge von sich geben, der Weg in die Harmlosigkeit wäre fatal.”