Joschka Fischer beklagt Rückkehr von Nationalismus in Europa

Vor 80 Jahren wurde Aachen befreit. Die Einnahme der ersten deutschen Großstadt durch die Alliierten bedeutete eine wichtige Etappe im Zweiten Weltkrieg. Bei einem Festakt richtete sich der Blick auch auf die Gegenwart.

Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer beklagt eine Rückkehr von nationalistischen Tendenzen in Europa. Dafür stehe etwa der EU-Austritt Großbritanniens, sagte Fischer am Sonntag in Aachen. Dieser neuen Nationalismus zeichne sich durch eine “rassistisch unterlegte Fremdenfeindlichkeit” aus, mit der beispielsweise Debatten über Zuwanderung geführt würden. Dabei bräuchten die Staaten Europas angesichts ihrer überalterten Gesellschaften dringend Arbeitskräfte. Notwendig sei deswegen eine “verstärkte legale Zuwanderung aus den Ländern des globalen Südens mit ihren großen jungen Gesellschaften”, also das genaue Gegenteil dessen, was die “neonationalistischen Parteien” forderten.

Fischer äußerte sich bei einem Festakt zur Befreiung Aachens durch US-Truppen vor 80 Jahren. Die Einnahme der ersten deutschen Großstadt durch die Alliierten gilt als ein Schlüsselereignis im Zweiten Weltkrieg und im Kampf gegen das NS-Regime.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Angriffe auf den Staat Israel und seine Bürgerinnen und Bürger erinnerte Fischer in seiner Rede daran, dass Nazi-Deutschland sechs Millionen Juden grausam ermordet habe. “Angesichts dieser Schreckensgeschichte hätte man eigentlich annehmen sollen, dass Antisemitismus in Deutschland nicht mehr vorkommen oder gar hingenommen würde”, so Fischer weiter. Doch stattdessen sei das öffentliche Tragen von jüdischen Symbolen gefährlich geworden, Synagogen und andere jüdische Einrichtungen würden bedroht und attackiert. “Jüdische Menschen haben wieder Angst und das in Deutschland, 80 Jahre danach. Ich kann diese Entwicklung, ehrlich gesagt nicht fassen!”

Die Aachener Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen (parteilos) sagte, dank des Engagements amerikanischer Soldaten und ziviler Helfer, unterstützt von mutigen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt, sei Aachen zum “Symbol für den Wiederaufbau, zum Vorbild für den Neubeginn und zur Gestalterin für die Demokratie” geworden. In einer Zeit, in der demokratische Werte weltweit infrage gestellt würden, sei es umso wichtiger für diese Werte einzustehen und für sie zu kämpfen.

An dem Festakt im Krönungssaal des Aachener Rathauses nahmen laut Angaben der Pressestelle mehr als 500 Menschen aus dem In- und Ausland teil. Bis Mai 2025 will die Stadt mit zahlreichen Veranstaltungen an die Befreiung und das Kriegsende erinnern.