Jerusalemer Grabeskirche offenbart neue Geheimnisse

Seit 2016 wird die Jerusalemer Grabeskirche restauriert: instabil, für Besucher gefährlich. Die Erneuerung des Fußbodens bietet den Archäologen aber auch einen Blick in die (Vor)Geschichte des uralten Gotteshauses.

Die Grabkapelle im Zentrum des verwinkelten Kreuzfahrerbaus über der Grablege Christi ist bereits gesichert. In den ersten Januartagen treten die Arbeiten an der heiligsten Stätte der Christen in eine neue Phase. Der rechte Flügel des massiven Kirchenportals wird verschlossen und die Bodenarbeiten werden im dahinterliegenden Innenbereich in der Nähe des „Salbungssteins“ fortgesetzt.

Bis Ende des Jahres soll die Restaurierung der Kirche über der traditionellen Kreuzigungs-, Grabes- und Auferstehungsstätte Jesu abgeschlossen werden, teilte die von katholischer Seite für die Grabeskirche zuständige Kustodie der Franziskaner mit. Aber nur, falls die politische Lage es zulässt.

Denn nach dem 7. Oktober und dem Beginn des Nahost-Kriegs mussten die Archäologen und Historiker der römischen Sapienza-Universität, die derzeit das Projekt auf dem heiligen historischen Terrain betreuen, ihre Arbeit in der Jerusalemer Altstadt unterbrechen. Aber sie kehrten schon Anfang Dezember zurück. Und zu Weihnachten legten die renommierten Forscher einen Zwischenbericht vor.

Seit 2016 müssen die Kircheneigentümer – Orthodoxe, Armenier und lateinische Katholiken – den wuchtigen, auf die konstantinische Basilika zurückgehenden Bau stabilisieren und restaurieren. Denn als die israelische Polizei im Februar 2015 zu einer unangemeldeten Inspektion erschien, verfügte sie sofort eine (wenn auch eher symbolische) Sperrung der zentralen Grabkapelle: wegen Baufälligkeit und instabiler Strukturen.

Was folgte waren ein bautechnischer Kraftakt und ein ökumenischer Durchbruch. Jahrzehntelang sträubten sich die getrennten Kirchen gegen Arbeiten oder irgendwelche Veränderungen an dem Gotteshaus, sie beharrten auf dem „Status quo“ aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, der die Besitzrechte und -ansprüche an den Teilen der Kirche bis ins Detail regelt. Jetzt aber einigten sich die drei großen Kircheneigner gemeinsam auf ein Konzept, wenn auch auf eine konservative Restaurierung, die den vorhandenen, gerade 100 bis 200 Jahre alten Status bestmöglich erhält.

Nachdem die Orthodoxen mit starker Unterstützung aus Griechenland in einer ersten Phase die kuppelförmige Grabkapelle restaurierten und sicherten, muss danach der instabile und für Besucher gefährliche Fußboden der Basilika dringend gefestigt werden. Unter dem Kirchenboden mit gerade vier bis acht Zentimeter dicken und teils sehr beschädigten Platten befinden sich an vielen Stellen Hohlräume und Verwerfungen. Die Kirche steht auf einem unterschiedlich abgetragenen Steinbruch. Manche Bereiche liegen direkt auf dem gewachsenen Felsen auf, bei anderen sind dazwischen eine bis zu fünf Metern dicke Erdschicht oder eben Hohlräume. Die Platten werden einzeln herausgenommen, nummeriert, gesichtet, repariert oder erneuert.

In ihrem weihnachtlichen Jahresrapport berichten die Sapienza-Experten über die Erforschung des Untergrunds der Basilika. Auf welchem Boden hatte Kaiser Konstantin seine vor 1.700 Jahren eingeweihte Basilika errichtet, was fand er vor? Schon frühere Grabungen hatten belegt, dass Kaiser Hadrian um das Jahr 135 den heutigen Golgotha-Felsen, die traditionelle Kreuzigungsstätte, mit einem Jupiter-Heiligtum überbaute und die Grabstätte Jesu mit einem Venus-Monument.

Die italienischen Forscher stießen nun auf eine alte römische Straße mit einem Gehweg, die von Konstantin für die Basilika zerstört und neu bebaut wurden. Wichtiger aber waren den Italienern die Elemente aus frühchristlicher Zeit im Bereich der Grabrotunde. Unter der heutigen Ädikula, der kleinen Kapelle im Zentrum der Rotunde, entdeckten sie einen kreisförmigen Marmorsockel aus wiederverwendeten römischen Steinen mit sechs Metern Durchmesser, der auf ein erstes Monument über dem verehrten Grab hindeutet. Der Sockel war von einem Vorhof mit drei Stufen nach Osten umgeben.

Das Denkmal muss von zwölf Stützen, wahrscheinlich Säulen, umrundet gewesen sein, so der Forschungsbericht. Ein Wasserablauf entlang des gesamten Marmorsockels lasse darauf schließen, dass sich dieses erste Monument unter freiem Himmel befand, bevor Ende des 4. Jahrhundert eine erste Rotunde darüber erbaut wurde. Münzfunde datieren die Anlage ins dritte bis vierte Jahrhundert.

Diese Erkenntnisse sollen in den nächsten zwölf Monaten ergänzt und vertieft werden, in der Hoffnung, ein umfassenderes Bild über die Stätte und den Platz zu gewinnen, auf dem Kaiser Konstantin seine Basilika errichtete. Denn dann wird der Boden vermutlich wieder für lange versiegelt bleiben.