„Jeder Euro ist wichtig“

Ein Scherflein für die Armen und Kranken zu geben: Die Idee ist so alt wie die Bibel selbst, sagt Ingo Martin. Seine Arbeit ist es, Geld aufzutun für die Arbeit des Diakonischen Werks Pfalz in Speyer. Als Referent für Fundraising rührt er seit fast fünf Jahren emsig die Werbetrommel, um Privatpersonen und Firmen als Spender zu gewinnen – auch vor dem Hintergrund schwindender Zuweisungen von Kirche und öffentlicher Hand.

„Fundraising dient dem Grundauftrag der Diakonie“, sagt der 50-jährige Kommunikationswissenschaftler aus Ludwigshafen. Gerade in der Weihnachtszeit seien viele Menschen besonders spendenbereit, weiß Martin, der auch Referent für Fundraising beim Caritasverband für die Diözese Speyer und bei der Deutschen Herzstiftung war. Zum Jahresende hätten viele Bundesbürgerinnen und -bürger den Wunsch, anderen etwas von ihrem Wohlstand abzugeben. Durchschnittlich 100 Euro spendeten sie pro Jahr.

Generell sei die Spendenbereitschaft in Deutschland weiter hoch – trotz globaler Krisen wie Klimawandel und Kriegen, sagt Martin. Allerdings seien viele Menschen wählerischer, wenn sie soziale Organisationen und Einrichtungen mit oft ansehnlichen Geldspenden unterstützten. Sie informierten sich und spendeten dann gezielt für einzelne Projekte, etwa für soziale Randgruppen oder die Kita-Arbeit.

Auch die Diakonie stehe als „starke Marke mit gutem Image“ mit anderen Organisationen im Wettbewerb um Spendengelder, räumt Martin ein. Umso wichtiger sei es, die eigene Arbeit gut „zu verkaufen“, sie auf allen Informationskanälen transparent zu bewerben. Dabei schreibt der Fundraiser auch Bittbriefe an zahlungskräftige Unternehmen in der Region, wie etwa die BASF in Ludwigshafen.

Als reines Feigenblatt will Martin das soziale Engagement gerade von Großunternehmen nicht verstanden wissen. Sicher nutze die Veröffentlichung einer großzügigen Geldspende deren Image. Aber wichtiger als der mögliche Werbeeffekt und die Steuerersparnis sei es, dass dabei etwas für Menschen in Not herauskomme, sagt Martin. Fundraising sei unverzichtbar: Die diakonische Arbeit sei nicht völlig gegenfinanziert durch kirchliche oder öffentliche Mittel. Mehr Gelder seien etwa nötig für die Flüchtlingshilfe oder die Sozial- und Lebensberatung.

Zudem gebe es die Möglichkeit, Geld und anderes Vermögen zu schenken, zu vererben oder zu stiften, erinnert Martin. Dazu haben die evangelischen Landeskirchen und ihre Diakonischen Werke die Initiative „Was bleibt“ gebildet. Ansprechpartner geben Auskunft darüber, wie man auch nach dem Tod für Andere Gutes bewirken kann – und dies testamentarisch verfügt.

Der pfälzische Diakoniepfarrer Albrecht Bähr nennt das Fundraising in der Kirche einen „zeitgemäßen Ausdruck der Gerechtigkeit Gottes“. Ziel sei es immer, die an den Rand geratenen Menschen wieder in die Mitte der Gesellschaft zu integrieren, sagt Bähr, der auch Sprecher der Diakonischen Werke in Rheinland-Pfalz ist. Das Instrument des Geldsammelns komme dort ins Spiel, wo der Sozialstaat diese Aufgaben nicht oder nicht mehr erfülle.

Letztlich sei das Fundraising auch für die Kirche eine Chance, sagt Martin. Nicht nur lernten bedürftige Menschen die Hilfsangebote der Diakonie kennen. Auch könnten Beziehungen zu Menschen aufgebaut werden, die sich finanziell oder ehrenamtlich für andere einsetzen wollten.

Auch wenn viel Geld online überwiesen würden, sei der Zahlschein aus Spendenbriefen und Kollekten „noch lange nicht tot“, weiß Fundraiser Martin. Viele kleine Spenden könnten Großes bewirken: „Jeder Euro ist wichtig.“