Janis Joplin – von der Freiheit, etwas zu schaffen

Wie nur wenige Künstlerinnen stand sie für den Aufbruch der 60er, war unangepasst und lebte im Jetzt: Vor 80 Jahren wurde die Blues- und Hippie-Ikone Janis Joplin geboren.

"Singen ist die höchste emotionale und physische Erfahrung" - Janis Joplin
"Singen ist die höchste emotionale und physische Erfahrung" - Janis Joplinimago/ZUMA Press

Hemmungslos, hingebend, kraftvoll und zärtlich zugleich: So wie Janis Joplin sang niemand und erst recht keine Frau. „Another Piece of My Heart“, „Ball and Chain“, „Try (Just A Little Bit Harder)“, „Me and Bobby McGee“ – Songs wie diese machten sie unsterblich. Am 19. Januar wäre die Blues- und Rocksensation 80 Jahre alt geworden. Sie starb 1970 im Alter von 27 Jahren an einer Überdosis Heroin.

Es war eine andere Zeit: Widerstand gegen Autoritäten, das Verlangen nach etwas Neuem, dazu das sprichwörtliche „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ prägten das Leben vieler junger Menschen in den 60ern. Janis Joplin war damals eine junge Frau mit wilden Outfits und einem ebenso wilden Lebensstil. Sie symbolisierte die Welt der Gegenkultur in den USA, die Hippiezeit.

Angefangen hat ihr Lebensweg in der texanischen Erdöl-Industriestadt Port Arthur, wo sie 1943 zur Welt kam – im gleichen Jahr wie Mick Jagger (79). Sie hatte zwei Geschwister, ihr Vater war Ingenieur bei Texaco, die Mutter Hausfrau.

Ihrer Zeit voraus

Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere war Joplin dann der hellste Star am Firmament der US-Musikwelt. Wie viele Musiker zog es auch sie ins kalifornische San Francisco. Sie wollte „Freiheit, etwas zu schaffen“, sagte sie in einem Interview, das im Dokumentarfilm „Janis: Little Girl Blue“ zu sehen ist.

Freiheit war ein großer Begriff für Joplin. Auf der Suche nach Freiheit hatte sie 1963 die Enge von Port Arthur verlassen, wo sie mit ihrem ausgefallenen Stil und ihrer Vorliebe für den schwarzen Blues überhaupt nicht hineinpasste. Janis sei ihrer Zeit voraus gewesen, sagt Filmemacherin Berg. Das Eintreten für Bürgerrechte sei damals in Port Arthur vollkommen aus dem Rahmen gefallen. Niemand habe sie bei der High-School-Abschlussfeier eingeladen. „Ich musste aus Texas raus, Baby“, sang Joplin in einem ihrer Lieder.

Bereit ein Star zu sein

Noch Jahrzehnte nach ihrem Tod am 4. Oktober 1970 wird in Biografien und Filmen nach der „wirklichen“ Janis Joplin gesucht. Was war Performance, was war echt? Ihre Musik war voller Sehnsucht, was zu Thesen führte, sie habe ihr Inneres mit Alkohol und Drogen zuschütten wollen. In „Work Me, Lord“ appelliert sie an Gott, er möge sie nicht verlassen. Sie habe niemanden gefunden, den sie lieben könne.

Ihre Kindheit und Jugend in Port Arthur hat sie nie ganz zurückgelassen. Nach ihrem ersten großen Erfolg als Leadsängerin der Gruppe „Big Brother And The Holding Company“ beim Monterey Pop Festival 1967 – wo auch Jimi Hendrix und „The Who“ auf der Bühne standen – schrieb Joplin an ihre Eltern: „Eines Tages könnte ich ein Star werden…. Ich bin bereit.“ Und sie wollte wissen, ob die Lokalzeitung „Port Arthur News“ etwas über ihren Erfolg geschrieben habe.

Janis Joplin tourte durch die ganzen USA, ihre Songs standen ganz oben in den Charts. Im April 1969 sang sie auch in Deutschland. Ein Video zeigt Joplin in der Jahrhunderthalle in Frankfurt am Main. Sie singt „Another Piece of My Heart“ und lockt zaghafte Zuhörer auf die Bühne, „feel good right now“.

Wenn sie singe, sagte Joplin 1969 einem Reporter der „New York Times“, sei das ein Gefühl, als wenn man sich zum ersten Mal verliebe. „Es ist mehr als Sex. Es ist die höchste emotionale und physische Erfahrung.“ Vor ihrem Tod hat Joplin in Los Angeles an einer Solo-Platte gearbeitet. „Pearl“ erschien mit dem sardonischen Lied „Mercedes Benz“, in dem sie Gott bittet, er möge ihr einen Mercedes kaufen.

Wenige Tage vor ihrem Tod habe Joplin ihr Testament unterzeichnet, schrieb Publizistin und Freundin Myra Friedman in „Janis Joplin: Buried Alive“. Das Vermögen sollte an ihre Eltern und Geschwister gehen. 2.500 Dollar waren für eine Party nach ihrem Tod vorgesehen.

Nach Ansicht von Friedman symbolisierte Joplin mehr als andere Künstlerinnen und Künstler den „Ton und die Stimmung“ ihrer Ära. Sie sei am Jetzt interessiert gewesen und nicht an der Zukunft. Im „New York Times“-Beitrag von 1969 berichtete Joplin von einem Arztbesuch. Der Mediziner habe aufgrund ihres Lebenswandels „melodramatisch“ vor gesundheitlichen Risiken gewarnt. Zu dem gehe sie nicht mehr: „Ich habe lieber zehn fantastische Jahre, als dass ich 70 werde und nur in einem verdammten Sessel sitze und Fernsehen schaue.“