Predigttext (Erprobung im Rahmen der Perikopenrevision): 1. Petrus 3, 8-17 (gekürzt)
8 Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. 9 Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt. 10 Denn „wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. 11 Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach. 12 Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Gebet; das Angesicht des Herrn aber steht wider die, die Böses tun“ (Psalm 34,13-17).
Die Jagdsaison ist eröffnet! Aber es ist eine außergewöhnliche Jagd: Sie kommt ohne Jagdhorn und ohne Tarnweste aus, ohne Hund und ohne Flinte. So ungewöhnlich die Jagd ist, so exotisch ist auch das Gejagte: Gejagt wird kein Greifvogel und keine Großkatze, kein Rehwild und kein Nashorn. Gejagt wird der Friede.
Frieden nachjagen – wie geht das denn?
Ein hoch gestecktes Ziel! Um es zu erreichen, wurden erfahrene Mitglieder eines Jagdvereins als Experten zu Rate gezogen. Für gewöhnlich reden sie gern über ihre Jagderfolge, stellen auch schon einmal Trophäen zur Schau. Gegen Herausforderungen haben sie nichts einzuwenden. Als sie aber erfahren, um welche besondere Jagd es geht, werden sie teils zögerlich, teils ärgerlich: „Der Friede? Wer ist denn auf die dumme Idee gekommen?“ – „Wie soll das denn gehen? Wie soll man etwas jagen, von dem man nicht mal weiß, wie es aussieht?“ – „Welche Waffen soll man dafür wohl benutzen?“ – „In was für eine Falle könnte er tappen?“ Einig sind sie sich schließlich: Den Frieden könne man nicht jagen, schon gar nicht erlegen. Der Jagdverein erteilt also eine Absage, wenn es um die Jagd nach dem Frieden geht. Aber wie ist diese Jagd dann zu verstehen? Sind dafür vielleicht doch keine Fachleute vonnöten?
Segen und Frieden sind im 1. Petrusbrief eng miteinander verknüpft – und nicht nur dort: Der aaronitische Segen, mit dem viele Gottesdienste beschlossen werden, endet mit der Formulierung „…und gebe dir Frieden“. Diese Schlussformel schließt den Segensspruch nicht nur ab, sondern bindet Segen und Frieden auch zusammen. Im Hebräischen steht dort ein Wort, das auch im Deutschen weithin bekannt ist: Schalom. Schalom ist mehr als Friede im militärischen, im politischen Sinn und mehr als Unversehrtheit. Schalom – Friede – kommt vom hebräischen Wortstamm für vergelten, Genüge tun. Ein Mangel oder ein Überschuss wird ausgeglichen. Schalom in der Übersetzung Vergeltung (im positiven wie negativen Sinne) kann somit nicht nur Einigen oder gar Wenigen gelten, sondern muss immer ausgeglichen sein, ist seinem Wesen nach uneingeschränkt und gerecht. Schalom ist mehr, als Menschen allein leisten können – all-umfassendes Heil kann allein Gott bewirken.
„Schalom!“ ist auch die jüdische Grußformel. Ist das nicht ein guter Gruß, ein guter Wunsch? Meinem Gegenüber Gottes all-umfassenden Frieden zu wünschen, zuzusprechen – das bildet doch eine gute Grundlage für eine Begegnung: Wenn ich meinem Gegenüber ehrlich Schalom wünsche, kann ich ihn oder sie nicht im selben Augenblick verletzen. Ähnlich ist der Gruß „Friede sei mit dir!“ in der Abendmahlsliturgie zu verstehen: als Zeichen der Geschwisterlichkeit unter den Feiernden. Im Gruß „Schalom!“ wünsche ich außerdem nicht nur meinem Gegenüber Frieden, sondern weil er all-umfassend ist, wünsche ich ihn gleichzeitig der ganzen Welt.
Darf ich das? Darf ich über Gottes Segen verfügen, ihn einfach jemandem zusprechen – nicht nur im Abendmahl, sondern auch im Alltag?
Segen anderen zusprechen? Klar, darfst du
Der Petrusbrief sagt: Klar, darfst du! Segnet …, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt. Als Geschöpfe Gottes und als Geschwister Jesu sind wir Erben der Verheißung Gottes und seines Segens – und der ist ja nicht irgendwann erschöpft. Indem Gott mich segnet, kann ich selbst zum Segen werden – eben weil ich dadurch berufen bin, Gottes Segen weiterzugeben, andere Menschen zu segnen.
Die Jagdsaison ist eröffnet – jagen wir dem Frieden nach! Sprechen wir einander Gottes Segen und Frieden zu – nicht nur im Abendmahl; wünschen wir unserem Gegenüber aus vollem Herzen Schalom! Amen.
