Was ist der Unterscheid zwischen Islam und Islamismus?

Nach dem tödlichen Messerangriff in Solingen ist die Debatte über Zuwanderung wieder voll entfacht. Immer wieder tauchen die Begriffe Islam und Islamismus auf. Was sind die Unterschiede?

Die Begriffe Islam und Islamismus sollten nicht vermischt werden
Die Begriffe Islam und Islamismus sollten nicht vermischt werdenImago / Herrmann Agenturfotografie

Der Islamismus ist eine religiöse Ideologie, die einen weltweiten “Gottesstaat” auf der Basis des fundamentalistischen Islams anstrebt. Gesetze und politische Macht dürfen demnach allein vom traditionellen islamischen Recht, der Scharia, legitimiert sein. Die Führung des Staates sollte nach Meinung der meisten Islamisten ein Kalif (arab. “Stellvertreter” des Propheten Mohammed) innehaben. Dieser herrscht im Namen Allahs, der die gesellschaftliche Ordnung durch seine Offenbarung im Koran und das Beispiel Mohammeds angeblich ideal geregelt hat. Als Vorbild, an dem sich besonders die Salafisten bis hin zur Kleidung orientieren, dient dessen politisch-religiöse Herrschaft in Medina 622 bis 632.

Damit richtet sich der Islamismus als totalitäres Konzept gegen die Trennung von Staat und Religion, gegen Demokratie und Parlamentarismus sowie gegen die Meinungs- und Religionsfreiheit. Islamisten vertreten zudem einen aggressiven, ebenfalls religiös begründeten Antisemitismus.

Woher kommt der Begriff Islamismus?

Der Begriff Islamismus wird seit den 1970er Jahren in den westlichen Sozialwissenschaften verwendet und ist heute fester Bestandteil der Debatte um Islam und Integration. Die Ursprünge der Bewegung liegen im 19. Jahrhundert. Das Trauma der kolonialen Unterwerfung führte islamische Denker damals zu einer radikalen Abgrenzung gegenüber dem technologisch überlegenen, liberalen Westen und zur Rückbesinnung auf den angeblich “wahren Islam”. Meilenstein war 1928 die Gründung der Muslimbruderschaft in Ägypten, bis heute die weltweit einflussreichste islamistische Organisation.

Einige Islamwissenschaftler bezweifeln Unterschiede zwischen einem konsequent gelebten Islam und dem Islamismus. Tatsächlich sind die Übergänge vom orthodoxen Mehrheitsislam zu islamistischen Vorstellungen oft fließend. Der “legalistische Islamismus” oder “politische Islam” agiert weitgehend friedlich und will eine gesellschaftliche Unterwanderung. Zu dieser Richtung zählen neben den Muslimbrüdern etwa die in Europa aktive türkisch-nationalistische Milli Görüs und andere Islamverbände.

Welche Länder lassen sich als islamistisch bezeichnen?

Daneben gibt es weltweit gewaltbereite “dschihadistische” Gruppen wie die Terrormiliz “Islamischer Staat”. Allerdings widerspricht ihr terroristisches Verständnis vom Dschihad (“Heiliger Krieg”) den Lehren des traditionellen Islams.

Mit Ländern wie dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien gibt es ganze Staaten, die man als islamistisch bezeichnen kann. Aber auch das Nato-Mitglied Türkei geriet unter Präsident Recep Tayyip Erdogan zunehmend in islamistisches Fahrwasser.