Intensives Porträt über die Künstlerin Jane Birkin auf Arte
Die französische Schauspielerin Charlotte Gainsbourg hat ihre Mutter, die britisch-französische Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin, porträtiert. Arte zeigt das intensive Porträt.
“Es geht darum, dich so zu betrachten, wie ich es nie getan habe oder gewagt habe, dich zu betrachten”, sagt Charlotte Gainsbourg am Anfang des Films, ohne ihr voyeuristisches Interesse zu verbergen. Mit “Jane by Charlotte”, wie “Charlotte Gainsbourg über Jane Birkin” im Original heißt, spielt die Schauspielerin, Sängerin, Fotografin und Tochter eines der berühmtesten Paare auf ein anderes Filmporträt von Jane Birkin an: “Jane B. by Agnes V.” (1987).
Gainsbourg nimmt sich die Ziellosigkeit von Agnes Vardas Film zum Vorbild – wie auch das kollaborative Moment. Tonfall und Stil ihres Films, den Arte am 30. September ab 21.50 Uhr zeigt, aber fallen anders aus: ernster, intimer, verletzlicher, auch prätentiöser gerade im ausgestellt hingeworfenen Stil eines Home Movies. Mehr als 30 Jahre später ist aus Jane Birkin zudem eine andere Frau geworden, gezeichnet von Schicksalsschlägen und einer Krebserkrankung, außerdem mehrfache Großmutter und auf verschiedene Weise mit Fragen von Älterwerden und Abschied beschäftigt.
Der Film nimmt seinen Anfang in Tokio bei einer gemeinsamen Konzertreise. Sie habe sich von ihrer verschlossenen und mysteriösen Tochter schon sehr früh eingeschüchtert gefühlt, bekennt Birkin hauchend auf die einleitende Frage nach der Befangenheit, die zwischen beiden bis heute herrscht. Man versteht, dass “Jane by Charlotte” auf kein monografisches Porträt hinausläuft, eher auf eine an der Rede-Kur (oder eher: Flüster-Kur) orientierte Erforschung des Mutter-Tochter-Verhältnisses.
Oft sind beide im Bild; Birkin spricht, setzt sich auf ihre scheue Weise in Pose, Gainsbourg hört zu, fotografiert, schaut. Die manchmal etwas aufdringlich suchende Kamera – Gainsbourg führt sie nur bei den gelegentlich dazwischen montierten Super-8-Aufnahmen selbst – nimmt Birkin regelrecht ins Visier. Irgendwann habe sie ihr Spiegelbild nicht mehr erkannt, erzählt Birkin, die nach dem tragischen Tod ihrer ältesten Tochter Kate einen Alterungsschub an sich feststellte. Manchmal kann sich der Kamerablick gar nicht sattsehen an den Falten der Mutter. “Jane by Charlotte” ist immer wieder auch ein Fetisch-Film.
Eine Chronik ist es nicht, eher ein Film für Eingeweihte. Gainsbourg verzichtet auf Filmausschnitte und erläuternde Kommentare. Von Gesprächen am Rande öffentlicher Auftritte und Orten wie Garderoben, Korridoren und Fotostudios (Tokio, New York, Paris) bewegt sich der Film immer wieder in den privaten Raum. In Birkins charmant vollgestelltem Haus in der Bretagne sprechen Mutter und Tochter über Chaos und Ordnung, Schlaflosigkeit, Nähe zu Hunden, Geschwisterpositionen und mütterliche Verantwortung. Oft habe sie sich wie eine kindische Mutter oder eine Freundin verhalten, erinnert sich Birkin kritisch im Rückblick auf ihre Mutterrolle.
Bei einem Parisaufenthalt besuchen sie gemeinsam die ehemalige Wohnung von Serge Gainsbourg, in der der Sänger fast 25 Jahre lebte. Nach seinem Tod 1991 hat sie Charlotte Gainsbourg in exakt dem Zustand belassen, in dem der Vater sie verließ; demnächst soll sie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In den Aschenbechern liegen noch Zigarettenstummel, im Kühlschrank verrotten die zurückgelassenen Lebensmittel, am Tisch finden sich Kratzspuren einer wütenden Tochter.
“Wie Pompeji”, flüstert Jane Birkin beim Anblick des Mausoleums – sie selbst hat bis zur Trennung des Paares zwölf Jahre in diesen Räumen verbracht. Tod und Abschied werden im Laufe des Films immer präsenter. Einmal projiziert Gainsbourg die Home Movies ihrer Familie riesengroß an eine Wand. Bei den Bildern der verstorbenen Kate muss Jane Birkin den Blick irgendwann abwenden.
Auf eine etwas modische Weise gibt sich “Jane by Charlotte” betont “undone”: Die verwackelte Kamera und die abrupte Montage suggerieren Authentizität und Dabeisein. Gegen Ende findet der Film trotz der gelegentlich manierierten Stilmittel aber doch zu einer berührenden Nähe. Gainsbourg hinterfragt ihren eigenen Wunsch, sich um jeden Preis von der Mutter zu befreien – “Ich will mich nicht befreien. Ich will mich festhalten.”