Artikel teilen:

Intensive ARD-Polizeiserie nach einem realen Fall

Akribische Polizeiarbeit wird in dieser Mini-Serie gezeigt. Das bringt nicht nur Spannung mit sich, sondern auch Einblick in und Respekt für eine staatliche Institution – ganz ohne Pathos und Heldentum.

“Das hier ist ein Marathon, du muss dir die Kräfte einteilen!”, mahnt die Kriminaloberrätin Barbara Kramer ihren jungen, ehrgeizigen Kollegen. Die Suche nach dem Mörder von Stefanie Berghoff läuft da bereits mehrere Wochen, und noch immer gibt es keine heiße Spur. Die 27-Jährige ist vom Joggen nicht heimgekehrt – und wurde Tage später tot im Wald aufgefunden, ein Sexualstrafdelikt. Ein realer Fall liegt der Mini-Serie “Spuren” zugrunde, die Das Erste am 15. Februar von 20.15 bis 23.15 Uhr ausstrahlt.

Martina Mouchot und Robert Hummel haben das Drehbuch verfasst, angelehnt an das Sachbuch “SOKO Erle” von Walter Roth. Roth war als Polizeisprecher involviert, als 2016 eine Joggerin im idyllischen Weinanbaugebiet am Kaiserstuhl getötet wurde. Dennoch sind in dieser Serie alle Protagonisten fiktiv, und man löste sich auch in anderer Hinsicht von den realen Ereignissen. Etwa bei Details des zweiten Mordfalls, der schließlich hinzukommt: Nur 30 Kilometer entfernt wird eine Studentin vergewaltigt und getötet. Könnte es sich um denselben Täter handeln?

Trotz der Unterschiede geht es in Buch wie Serie im Kern um dasselbe: die genaue Darstellung kleinteiliger, mühsamer, oftmals frustrierender Polizeiarbeit. Da werden schier endlose Weinberge und Wälder durchschritten, riesige Datenbanken durchforstet, unzählige Videoaufnahmen aus öffentlichen Verkehrsmitteln gesichtet, ein Joggingschuh auf winzigste Anhaftungen hin untersucht. Und die Suche nach ähnlichen Fällen schließlich auf die angrenzenden Länder ausgedehnt – all dies, um Spuren zu finden, also weiterführende Hinweise.

Am eindrücklichsten aber ist, wie hier tagelang eine Hecke nach Knickspuren abgesucht wird – und zwar mit der Lupe (!). Was ein ganz neues und mindestens ebenso anschauliches Bild für eine fast hoffnungslose Angelegenheit abgibt wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen.

“Niemals aufgeben!” ist denn auch das Motto von Soko-Leiterin Kramer (Nina Kunzendorf). Aus ihrer Berliner Vergangenheit hat sie die Erinnerung an einen Fall mitgebracht, der nach zwölf langen Jahren doch noch aufgeklärt wurde. Und tatsächlich findet eine Polizistin schließlich ein Haar in der Hecke – ein entscheidendes Puzzlestück zur Klärung des einen Mordfalls. Für die Ermittlungen zum Verbrechen an der Joggerin braucht es jedoch weiter einen langen Atem…

Von all dem erzählt Regisseur Stefan Krohmer betont unspektakulär. Weder erfährt man Näheres aus dem Privatleben der zentralen Kommissare Barbara Kramer und Thomas Riedle (Tilman Strauß) noch sind diese anderweitig sonderlich extravagant. Auch die Darstellung der Verbrechen und misshandelten Körper ist nicht auf Effekt angelegt: Ein gewaltsamer Stoß vom Rad, gefilmt in der nächtlichen Totalen, also mit viel Abstand, und ein Schrei sind hier ausreichend.

Interessant, wie anders als sonst im TV üblich und zugleich wirkungsvoll man auch eine Leichenschau in der Rechtsmedizin gestalten kann – diskret, nur mit Blick auf den von oben unversehrten Kopf der Toten zum Beispiel. Kameramann Ahmed El Nagar gelingen gerade aufgrund seines taktvollen Agierens starke Aufnahmen.

So kommt diese Polizeiserie sachlich und unaufgeregt daher; entwickelt und hält jedoch gleichzeitig eine starke innere Spannung. Die entsteht nicht so sehr aus äußerer Action, sondern vor allem aus dem Blick auf Details – so wie eben etwa auf ein einzelnes Haar in einer Hecke.

Die Konzentration auf Feinheiten zeigt sich in allen Gewerken; im präzisen Drehbuch, Krohmers gewohnt feinfühliger Regie, der prägnant eingesetzten Musik und dem überzeugenden Cast, der um Nina Kunzendorf herum erfreulich unverbrauchte Gesichter versammelt. Sogar deutlich schwäbeln beziehungsweise badisch “schwätzen” dürfen die Darsteller der in Baden-Württemberg spielenden Story.

Die gelungene Kombination aus all dem bietet eine intensive, streckenweise fast dokumentarisch anmutende, authentische Darstellung von Polizeiarbeit. Letzteres mit Betonung auf dem zweiten Wortteil: “Spuren” handelt weder von Helden noch von Genies. Sondern einfach von Menschen, die ihren Job machen.