Insekt des Jahres: Dem „Landkärtchen“ wird es zu warm

Der Schmetterling „Landkärtchen“ gibt der Forschung mit seinen jahreszeitlichen Farbvarianten Rätsel auf. Doch sicher ist: Das Insekt des Jahres 2023 verliert Lebensraum.

Ein Landkärtchen der Sommergeneration macht es sich auf einer Blüte gemütlich
Ein Landkärtchen der Sommergeneration macht es sich auf einer Blüte gemütlichImago / Imagebroker

Ein Schmetterling, der je nach Jahreszeit unterschiedliche Färbungen hat und Brennnesseln mit grünen Eierketten verziert, ist das „Insekt des Jahres 2023“. Das „Landkärtchen“ hat seinen Namen von der Zeichnung seiner Flügelunterseiten. Je nach Jahreszeit schlüpfen aus den Puppen entweder nach zwei bis drei Wochen die Schmetterlinge der dunkel gefärbten Sommergeneration, oder die Tiere überwintern als Puppe und schlüpfen erst im Jahr darauf Ende April oder Anfang Mai als orangebraune Frühjahrsgeneration. In klimatisch günstigen Lagen wie dem Oberrheingraben schlüpft gegen Ende September in manchen Jahren auch noch eine dritte Generation, wie die Insektenexperten – die Entomologen – beim Naturschutzbund NABU erklären.

Wie alle Schmetterlinge startet das Landkärtchen als Raupe und ist dafür speziell auf Brennnesseln angewiesen. Weil das Landkärtchen die Eier wie einen hängenden Turm zusammenklebt, kriecht die Raupe aus dem zuletzt gelegten Ei des Eierturms zuerst heraus, „da ansonsten das Türmchen abfallen würde“, erklären die Experten. Von den Raupen des Tagpfauenauges, die auch Brennnesseln fressen, unterscheiden sich die Landkärtchen-Raupen unter anderem dadurch, dass sie sich in einem Haufen auf der Unterseite der Brennnesselblätter sammeln, die des Tagpfauenauges auf der Oberseite.

Mehrere Generationen pro Sommer

Die Spannweite der aus den Puppen geschlüpften Landkärtchen – wissenschaftlich Araschnia levana – beträgt drei bis vier Zentimeter. Die Frühjahrs-Landkärtchen sind bis etwa Mitte Juni zumeist an Waldrändern, in feuchten Wäldern und Auen auf Schlehen- oder Weißdornbüschen, auf Sternmieren, Hahnenfuß und Sumpfdotterblumen zu finden. Die Tiere der Sommergeneration sieht man von Anfang Juli bis Ende August vor allem auf Bärenklau, Wiesenkerbel, Engelwurz, Wilder Möhre und anderen weißen Doldenblütlern. Auch Ackerkratzdistel, Wasserdost und Goldrute werden besucht, heißt es beim NABU.

Aus dieser Raupe wird ein Landkärtchen
Aus dieser Raupe wird ein LandkärtchenImago / Mc Photo

Noch nicht geklärt haben die Wissenschaftler, wozu die unterschiedlichen Farbvarianten des Landkärtchens gut sind. Ein Experiment mit Blaumeisen habe weder Anhaltspunkte dafür gebracht, dass die Frühjahrsfärbung eine Warnfarbe, noch dass die Varianten eine jeweils an die Jahreszeit angepasste Tarnfärbung wäre.

Landkärtchen sind von Frankreich bis nach Japan verbreitet, dagegen fehlen sie rund ums Mittelmeer ebenso wie auf den Britischen Inseln und bisher auch in Skandinavien. In den 1960ern wurde das Landkärtchen in Mitteleuropa immer häufiger, weil mehr Stickstoffeintrag aus Luft und Düngung immer mehr Brennnesseln wachsen ließ. Seit gut zehn Jahren wird das Landkärtchen regional aber wieder deutlich seltener, berichten die Experten: Es wird ihm offenkundig zu warm und zu trocken. Dagegen breite sich der Falter nach Skandinavien und in die Gebirge Südeuropas weiter aus: „Brennnesseln alleine reichen also nicht.“

Zwar gehöre das Landkärtchen nicht zu den bedrohten Arten, doch damit der Falter nicht zu einem Verlierer des Klimawandels werde, müssten Lebensräume für Insekten besser geschützt werden, fordert der NABU.