„Innovativer Ort im barocken Kleid“

Moderne Orgel, Platz für rund 100 Menschen, Altar mit Friedenssymbol: Im neuen Potsdamer Garnisonkirchturm ist als erster Raum die Kapelle im Erdgeschoss fertiggestellt worden. Bis zuletzt wurde dort an der Orgel gearbeitet. Mehrere Wochen lang mussten die mehr als 1.400 Orgelpfeifen eingebaut und intoniert werden, jede einzeln und mit größter Sorgfalt. Kein Staub, keine unnötigen Schwingungen und keine Geräusche von außen durften die Arbeiten stören. Für Ostermontag hatte die kirchliche Trägerstiftung mehr als sechs Jahre nach dem Baustart zum Eröffnungsgottesdienst eingeladen.

„Sehr modern, sehr hell, lichtdurchflutet“, so beschreibt der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Jan Kingreen, die neue Kapelle. Der Theologe ist seit einiger Zeit Pfarrer am Ort und Programmvorstand der Garnisonkirchenstiftung. Während die Turmfassade weitgehend originalgetreu errichtet wurde, weicht die Gestaltung der Kapelle ebenso wie die Architektur im Inneren des Turms deutlich vom Original ab, das 1968 in der DDR als Teil der Kriegsruine der Garnisonkirche gesprengt und abgerissen wurde.

„Es ist einfach alles modern“, sagt Kingreen: „Auch was wir da machen, ist ja kein barocker Inhalt, sondern ein sehr moderner Inhalt.“ Demokratiebildung ist dort geplant, die Auseinandersetzung mit früheren demokratiefeindlichen Traditionen an der historischen evangelischen Garnisonkirche. Diskussionen, kulturelle und kirchliche Veranstaltungen sollen dort stattfinden. Die Aussichtsplattform soll zudem Touristen anziehen. Der Turm werde damit zu einem „innovativen Ort in einem barocken Kleid“, sagt der Pfarrer – mit der Kapelle als „Herzstück“.

Dass die Kapelle deutlich vor dem derzeit rund 60 Meter hohen Turm genutzt werden kann, habe verschiedene Gründe, erzählt Kingreen: „Die ganz pragmatische Antwort ist, weil sie fertig ist.“ An den anderen Räumen im Turm muss noch weiter gearbeitet werden. „Alles auf einmal zu eröffnen, da würden wir uns ein Stück weit übernehmen“, sagt der Pfarrer. Er hofft auf eine Eröffnung des Turms mit einem Bürgerfest im Sommer. Der Termin steht noch nicht fest.

Mit der Kapelleneröffnung wurde nun vorab ein Start im kirchlichen Rahmen möglich gemacht. Nach der Eröffnung mit rund 100 Gästen sollen dort nicht nur regelmäßig Gottesdienste gefeiert werden, auch zu anderen Veranstaltungen wird eingeladen.

Die historische Potsdamer Garnisonkirche wurde im 18. Jahrhundert errichtet und im April 1945 bei einem Luftangriff weitgehend zerstört. Weil die preußische Militärkirche, in der Hitler 1933 eine Rede hielt, auch Ort antidemokratischer Kräfte war, gab es lange teils erbitterten Streit über den Wiederaufbau. Auch zum Eröffnungsgottesdienst waren Proteste angekündigt. Der Garnisonkirchturm könnte ein „rechtsextremer Gedenk- und Identitätsort mitten in Potsdam“ werden, hieß es im Aufruf. Es werde ein Symbol „von Nationalsozialismus, deutschem Kolonialismus und Preußenverherrlichung“ errichtet.

Kingreen hält dagegen. „Wir bauen hier ein Friedens- und Demokratiezentrum auf“, sagt er. Mit Programm und Gestaltungselementen, darunter der Friedensbotschaft im Sockel und dem Versöhnungssymbol Nagelkreuz auf dem Altar, werde ein deutlicher Bruch mit der Geschichte vor 1945 vollzogen. Eine Nutzung durch Rechtsextreme sei ausgeschlossen. Das neue Bauwerk zeige auch, wie ein in rechtsextremen Kreisen angestoßenes Projekt den einstigen Initiatoren aus der Hand genommen worden sei und nun für etwas Neues stehe, sagt er: „Das ist gelungen.“

Der insgesamt knapp 90 Meter hohe Turm soll bis Ende 2025 fertiggestellt werden. Bis dahin muss noch die rund 30 Meter hohe Turmhaube gebaut und auf den Turm gesetzt werden.