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Inklusives Gewichtheben: Hier werden alle fit

Im “Kraft-Werk” sind alle gleich: In dem Fitness-Club in Nordbaden trainieren auch beeinträchtigte Menschen aus einer diakonischen Einrichtung – an der Hantel und auf dem Laufband.

Heilerziehungspfleger Thomas Fraunholz (li.) spornt seine Schützlinge beim Gewichtheben an
Heilerziehungspfleger Thomas Fraunholz (li.) spornt seine Schützlinge beim Gewichtheben anepd-bild / Uli Deck

Florian B. läuft und läuft. Das elektrische Laufband schnurrt leise, der Schweiß rinnt ihm über das Gesicht. 4,5 Kilometer will er diesmal schaffen, in einer knappen Stunde: „Sport ist besser für meinen Körper“, sagt der 38-Jährige, der körperlich und geistig beeinträchtigt ist. Seit elf Jahren trainiert er einmal pro Woche für den Kraft-Dreikampf im inklusiven Verein „Kraft-Werk“ im nordbadischen Schwarzach, gemeinsam mit nicht-behinderten Vereinsmitgliedern. Trainer Oliver Caruso beobachtet ihn, nickt: „Der Bauch muss weg“, sagt der Vorsitzende des Fitness-Vereins und ehemalige Profi-Gewichtheber.

Florian B. wohnt ganz in der Nähe in einer Behinderten-Einrichtung der evangelischen Johannes-Diakonie. Bezahlen müssen er sowie 85 andere Bewohnerinnen und Bewohner für das Training und die Anleitung nicht. Im Wechsel werden sie wöchentlich mit dem Bus zur großen Fitnesshalle mit ihren Laufbändern und Hantelbänken gefahren.

Inklusiver Fitness-Club will Körper und Geist stärken

„Sport verbindet“, sagt Oliver Caruso, der mit seiner Frau Corinna den besonderen Fitness-Club gegründet hat. Das gemeinsame Training bringe Menschen zusammen, stärke Körper und Geist und tue der Seele gut. Rund 2.500 Mitglieder zählt der Verein, der vom Lions-Club unterstützt wird. Er ist auch Trainingszentrum für die Wettkämpfe der „Special Olympics“, der weltweit größten Sportbewegung für Menschen mit geistigen und Mehrfachbeeinträchtigungen.

Auch für die Ausdauer wird im "Kraft-Werk" geschuftet
Auch für die Ausdauer wird im "Kraft-Werk" geschuftetepd-bild / Uli Deck

Aus einfachen Verhältnissen hat sich der heute 51-jährige Caruso hochgearbeitet, mit hartem Training: Vier Mal war der Gewichtheber jeweils Welt- und Europameister im Mittelschwergewicht, 26 Medaillen holte er für Deutschland. „Ich wollte etwas zurückgeben, einen Zugang zum Kraftsport für jeden schaffen“, sagt er. Im 35 Kilometer entfernten Ort Mudau hat er ein weiteres Clubgebäude für inklusiven Kraftsport eröffnet.

Kraft-Dreikampf, auch als Powerlifting bekannt, besteht aus den Disziplinen Bankdrücken, Kreuzheben und Kniebeugen mit Gewichten. Es sei ideal für die Trainierenden aus der Johannes-Diakonie, die oft bewegungseingeschränkt seien, erklärt Caruso. Das Gehen auf dem Laufband zum Warmmachen fördere die Ausdauer, sei gut für das Herz und lasse überschüssige Pfunde schmelzen. Das Krafttraining stärke die Muskeln in Armen, Schultern, Brust und Beinen.

Inklusives Fitnessstudio: Pascal will zu “Special Olympics”

Beim Training mit Menschen mit körperlicher und geistigen Einschränkungen gehe es weniger um Höchstleistungen als um das körperliche Wohlbefinden, betont Heilerziehungspfleger Thomas Fraunholz. Der 61-Jährige betreibt seit mehr als 40 Jahren Kraftsport. Wöchentlich trainiert er mit Frauen und Männern aus der Johannes-Diakonie, mit manchen auch für die „Special Olympics“. „Sport erhöht die Lebensqualität, auch kommen sie einmal raus und unter die Leute“, sagt er.

Pascal W. steht erschöpft von der Gewichtbank auf. Eben hat er auf dem Rücken liegend beim Bankdrücken eine 50 Kilogramm schwere Langhantel gepumpt. „Ich will an die Grenzen gehen“, keucht der 34-Jährige. Im Juli steht ein Wettkampf bei den „Special Olympics“-Landesspielen in Heilbronn an.

Verletzungsgefahr durch falsches Training

„Wie lange muss ich noch?“, fragt Pascal seinen Trainer Fraunholz. „Du hast noch nicht einmal die Hälfte gemacht“, spornt dieser ihn zum Weitermachen an. Intensive Betreuung sei bei den Freizeitsportlern mit Behinderung nötig – nicht nur, um Verletzungsgefahren durch falsches Training zu vermeiden. Manchmal verlören sie auch einfach die Lust und gingen von den Geräten weg. „Dann muss man klar die Richtung vorgeben“, sagt Fraunholz.

Auch Sonderpädagogin Alexandra Sobolewski von der Johannes-Diakonie ist immer wieder beim Training dabei. Berührungsprobleme anderer Vereinsmitglieder mit den Sportlern aus der Johannes-Diakonie hat sie nicht ausgemacht. Inklusion funktioniere hier, sagt sie: „Alle sind gleich.“

Die Trainingsstunde ist fast vorüber, und Florian B. geht weiter auf dem Laufband. Bis zu einer Medaille im Wettkampf ist es noch ein weiter Weg, aber der Wunsch ist klar: „Ich wäre gerne einmal bei den Special Olympics dabei“, sagt er.