Für Musliminnen und Muslime, die eine Patientenverfügung aufsetzen möchten, gibt es jetzt eine neue Handreichung. Das Heft der Eugen-Biser-Stiftung für Bayern wurde am Montag in München vorgestellt. Die wachsende Zahl älterer Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland mache eine solche Handreichung als „Pionierwerk“ notwendig, sagte der Islamwissenschaftler Jörn Thielmann.
Das 60 Seiten dicke Informationsheft erklärt, was eine Patientenverfügung ist: Darin können mündige Menschen regeln, welche Maßnahmen zur Lebenserhaltung sie in Anspruch nehmen wollen. Angesichts der Möglichkeiten moderner Medizin haben diese Dokumente an Bedeutung gewonnen, sind aber unter Muslimen noch nicht weitverbreitet. Die Handreichung versammelt für sie allgemeinverständlich rechtliche Aspekte, medizinische Fakten, theologische Positionen, islamwissenschaftliche Einordnungen und praktische Tipps.
Häufig verlangten muslimische Familien von Ärzten „maximale Versorgung“, so der Mitautor und islamische Theologe Martin Kellner. Dass es in bestimmten Fällen besser wäre, auf Palliativversorgung umzuschalten, sei häufig schwer zu akzeptieren. Diese Hemmschwelle habe mit mangelndem Wissen über das Palliativsystem zu tun, aber auch mit dem großen Vertrauen in die deutsche Medizin und wohl auch mit Angst vor Diskriminierung.
In der islamischen Theologie gibt es Kellner zufolge orthodoxe Positionen, die sagen: Wenn der Nutzen einer Behandlung nicht klar erwiesen sei, dann sei es auch erlaubt, sie zu unterlassen. Insofern stehe die Religion nicht im Weg, wenn Muslime sich für oder gegen entsprechende Maßnahmen entscheiden. Die Handreichung erklärt zu den Themen Wiederbelebung, künstliche Beatmung, Organspende oder Schmerzlinderung auch die islam-theologische Perspektive. Die Handreichung gibt es bisher auf Deutsch, weitere Sprachen sind angedacht.