In diesem Duft steckt Theologie

Wie riecht Ostern? Hochschulpastorin Simone Liedtke hat eine Mischung aus exklusiven Gerüchen auf Gäste wirken lassen – bei der ersten Veranstaltung mit Kirchraumbeduftung im Norden.

Ein kleines silbernes Gerät namens „Voitair“ beduftet die ganze Kirche
Ein kleines silbernes Gerät namens „Voitair“ beduftet die ganze KircheChristopher Pilz / zap Bochum

Hannover. „Es ist wie der Schritt aus dem Dunkel unmittelbar ins Licht.“ So beschreibt Simone Liedtke, was der Geruch in ihr ausgelöst hat, der bei einer Kultur-Veranstaltung mit Harfenmusik in der Kreuzkirche in Hannover verströmt wurde. Es geht um den Osterduft „Kenosis“, eine vielschichtige Mischung aus exklusiven, belebenden Wohlgerüchen, ähnlich einem edlem Parfüm. „Erst roch es nach ganz frischem Grün“, beschreibt die Pastorin ihre Wahrnehmung. „Dann ging es in etwas Blumiges über.“ Sie habe Narzissen und Maiglöckchen gerochen, später eine Mischung aus Zitrusfrüchten. „Mich hat dieser Duft sehr an Ostern erinnert.“

Noch hat die Beduftung von Kirchenräumen experimentellen Charakter. „Man wird belächelt, wenn man Kirchenleuten davon erzählt“, sagt Simone Liedtke. Der Hochschulpastorin geht es bei dem Versuch um mehr als einen angenehmen Geruch in alten, mitunter muffigen Gemäuern. Ihr geht es bei der Kirchraumbeduftung um neue liturgische Erfahrungen und einen neuen Zugang zum Glauben. „Es gibt viele Lichtinstallationen in Kirchen.“ Der Geruchssinn werde hingegen vernachlässigt, obwohl Gerüche eine bestimmte Atmosphäre schaffen, Erinnerungen und Empfindungen auslösen könnten, betont die 44-Jährige. In Lebensmittelabteilungen habe das Duftmarketing längst Einzug gehalten. „Das ist kein Zufall, unser Gehirn reagiert darauf“, so die Theologin und Dozentin für Medienpädagogik in Loccum.

Auftrag für professionellen Parfumeur

Den Osterduft „Kenosis“, altgriechisch für „Entäußerung“, hat das Zentrum für angewandte Pastoralforschung an der Ruhr-Universität Bochum (ZAP) bei Marc vom Ende, einem professionellen Parfumeur, in Auftrag geben. „Es geht nicht um Vanille­kerzen in Kirchen“, stellt Liedtke klar. Vielmehr gehe es um eine Duftmarketinglösung für kirchliche Orte, die eine bewusste Wahrnehmung und Auseinandersetzung fördern soll. So das Ziel des wissenschaftlichen Projekts der „zap:aerothek“. Neben „Kenosis“ gebe es drei weitere Düfte für Pfingsten, Weihnachten und den Alltag, alle seien aus edlen, angenehmen Basisnoten wie Zedernholz, Moschus­, Ambra und Myrrhe komponiert.

Gäste neugierig

Die Pastorin hat auf Wunsch des ZAP ein theologisch-meditatives Begleitbuch zur liturgischen Verwendung der vier Düfte geschrieben; es soll demnächst in den Druck gehen. „Ich war sofort angetriggert von der Idee und bin in der Bibel auf Spurensuche nach den Düften gegangen. Im Hohe­lied findet man ganz viele“, sagt die Theologin begeistert. Zu Hause habe sie die Düfte, die mit einem Gerät namens „Voitair“ verströmt werden, auf sich wirken lassen. In der Kirche reiche ein einziges Exemplar, um den gesamten Raum zu beduften. „Im Duft steckt Theologie“, ist Liedtke überzeugt. So seien im Osterduft Noten von Lindenblüten, Magnolien, Muskatella und Salbei enthalten. Sie zu riechen, sei wie das Aufgehen der Ostersonne, eine Feier des Lebens – für sie die Auferstehung.

Die Gäste in der Kreuzkirche seien neugierig geworden, das Feedback sei gut gewesen, sagt Liedtke. Weitere Veranstaltungen seien im Norden noch nicht geplant. Gemeinden könnten die Geräte allerdings beim ZAP ausleihen.