Impfzentrum statt Kanzel oder Werkstatt

Ein leitender Theologe, ein Elektriker und viele mehr – die Bandbreite von Menschen, die sich in den Impfzentren engagieren, ist groß. Sie brauchen angesichts des zögerlichen Startes der Corona-Impfungen einen langen Atem.

Melanie Romano und Julian Rüscher stehen vor dem Impfzentrum des Landkreises Harburg.
Melanie Romano und Julian Rüscher stehen vor dem Impfzentrum des Landkreises Harburg.Karen Miether/epd

Winsen/Luhe. Noch ist es ruhig in der Stadthalle in Winsen an der Luhe. Die Gänge, Nischen und Räume, die Messebauer dort mit mobilen Wänden abgeteilt haben, sind nahezu leer. Das Impfzentrum in der Halle geht erst am Montag (08.02.2021) an den Start. 566 Menschen haben dort dann im Laufe der Woche einen Termin, noch einmal so viele sind es im nahen Buchholz. „Der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein“, sagt Jan Bauer vom Deutschen Roten Kreuz. Der Kreisbereitschaftsleiter für den Katastrophenschutz gehört zu den Organisatoren der Impfkampagne im Landkreis Harburg – ehrenamtlich. Im Hauptberuf ist der 40-Jährige im Vertrieb eines Energieversorgers tätig.

Mix aus Haupt- und Ehrenamt

Vor allem beim Aufbau der 50 Impfzentren in Niedersachsen waren landesweit Ehrenamtliche im Einsatz. Johanniter und Malteser etwa haben für den laufenden Betrieb aber vor allem Hauptamtliche eingestellt. Ehrenamtliche zum Beispiel aus dem Bevölkerungsschutz würden aushelfen, sagt der Sprecher des Regionalverbands Weser-Ems der Johanniter-Unfall-Hilfe, Stefan Greiber. Sie seien vor allem bei den mobilen Impfteams tätig, die Altenheime anfahren. „Aber das ist ja ein überschaubarer Zeitraum, bis dort die Menschen geimpft sind und dauert nicht ein halbes bis ein Jahr.“

Das DRK, das in acht Zentren als Betreiber federführend ist und in vielen weiteren mitarbeitet, setzt nach Angaben von Daniel Schulte vom Landesverband auf einen Mix aus Haupt- und Ehrenamt. Die mobilen Impfteams eingerechnet gebe es landesweit neben mehr als 650 Hauptamtlichen auch 740 Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Auch der Arbeiter-Samariter-Bund greift auf sein Netz an Ehrenamtlichen zurück. Im Landkreis Harburg hat das DRK mit der Kampagne „Krisenbezwinger“ um Personal für die Impfzentren geworben, fürs Ehrenamt wie auch für bezahlte Stellen.

Pandemie ist eine gesellschaftliche Gesamtaufgabe

Im Speckgürtel von Hamburg mit kaum Arbeitslosigkeit wäre es sonst schwierig geworden, genügend Leute zu finden, sagt Jan Bauer. 400 Menschen haben sich gemeldet, darunter medizinische Fachkräfte. Zudem stehen laut Landkreis rund 100 Ärztinnen und Ärzte zur Mitarbeit bereit. Und dann gibt es noch viele Menschen mit ganz anderem Hintergrund: In Winsen wird künftig zum Beispiel der Theologe Dirk Jäger immer mal wieder an der Anmeldung im Impfzentrum Menschen begrüßen und Codes einscannen.

Durch den Lockdown fielen auch bei der Kirche Termine weg und er könne seine Arbeit so einteilen, dass Luft für das Ehrenamt sei, sagt der 57-Jährige, der als Superintendent den evangelischen Kirchenkreis Hittfeld leitet. „Für mich heißt Nächstenliebe in allen Facetten, sich da zu engagieren, wo es gerade angesagt ist“, sagt Jäger. Er ist auch bei der Feuerwehr aktiv und Bauer ist sein Freund. Im ländlich und kleinstädtisch geprägten Kirchenkreis schätzt er die gute Zusammenarbeit der Organisationen nicht nur, aber auch in Coronazeiten. „Die Bewältigung der Pandemie ist eine gesellschaftliche Gesamtaufgabe.“

Mit Lust und Leidenschaft ins Ehrenamt

Julian Rüscher und Melanie Romano sind bereits seit Januar Vollzeit unterwegs und koordinieren zunächst die Arbeit der mobilen Impf-Teams in Seniorenheimen. Der 27-jährige Elektriker wurde vom Gummi-Hersteller Continental noch bis Ende Juni freigestellt. Nach dem Katastrophenschutzgesetz zahlt der Staat einen Ausgleich, wenn Arbeitgeber bei einem „außergewöhnlichen Ereignis von landesweiter Tragweite“ ehrenamtlichen Einsatz ermöglichen. Das Werk habe durch Corona derzeit eine geringere Auslastung, sagt Rüscher. „Da fällt es nicht so auf, wenn ich mal fehle.“

Die 31-jährige Romano gehört dagegen zu denjenigen, die zunächst bis Ende Juni, dem bisherigen Planungshorizont der Zentren, fest angestellt sind. „Ich war gerade auf der Suche nach einer spannenden Stelle“, sagt die Administrationsassistentin. „Ich mache das mit Lust und Leidenschaft.“

Mehr als 600 Menschen könnten nach Angaben des Landkreises Harburg in den Zentren in Winsen und Buchholz eigentlich an einem Tag geimpft werden. Doch Jan Bauer kann sogar in dem langsamen Start noch Gutes sehen: „So können wir erst einmal Erfahrungen sammeln.“ Der 40-Jährige ist ein Mann, der Zuversicht verbreitet. Die größte je dagewesene Impfaktion werde in die Geschichtsbücher eingehen, sagt er. „Das ist epochal, davon werden wir unseren Enkeln erzählen.“ (epd)