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Immer weniger Babys

Frauen haben in Deutschland im vergangenen Jahr nur 739.000 Kinder zur Welt gebracht – 56.500 oder 7,1 Prozent weniger als 2021. Die negative Entwicklung setzt sich weiter fort: Von Januar bis Mai 2023 kamen 5,9 Prozent weniger Kinder auf die Welt als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Für die negative Entwicklung gibt es unterschiedliche Erklärungen.

Ein Baby zu haben, das strampelt, lächelt, gluckst und jauchzt, stellen sich viele werdende Eltern wunderschön vor. „Doch Schwangerschaft, Geburt und Babyzeit sind häufig überfordernder, als man sich das dachte“, sagt die Würzburger Geburtsbegleiterin Magdalena Bieberstein dem Evangelischen Pressedienst (epd). Hinzu können „traumatische Erfahrungen“ während der Schwangerschaft und der Geburt kommen.

So berichteten Frauen, dass sie während der Niederkunft im Kreißsaal viele Stunden allein gewesen seien. „Andere erzählen, dass dort Dinge gegen ihren Willen gemacht wurden“, sagt die Geburtsbegleiterin. Diese negativen Erlebnisse sind nach ihrer Ansicht Gründe für den Geburtenrückgang.

„Die Versorgung von Müttern und Kindern ist in einem Land mit einem der teuersten Gesundheitssysteme allenfalls mittelmäßig“, sagte Katharina Desery, Vorstandsmitglied der bundesweit organisierten Elterninitiative „Mother Hood“, schon vor drei Jahren nach der Veröffentlichung des „Gutachtens zur stationären Hebammenversorgung“. 61 Prozent der befragten 1.570 Mütter berichteten dort, dass sie im Kreißsaal nur mit Unterbrechungen oder sogar nur punktuell betreut worden seien.

Die Geburtsstation des St. Elisabethen Krankenhauses in Frankfurt am Main zieht im Gegensatz zum allgemeinen Trend offenbar Frauen an. Während die deutschlandweiten Geburtenzahlen 2022 sanken, kamen hier letztes Jahr 17 Prozent mehr Babys zur Welt. Laut Chefarzt Uwe Eissler erhalten Gebärende im „Eli“ viel persönliche Zuwendung: „Das schafft die optimalen Rahmenbedingungen für eine selbstbestimmte und sanfte Geburt.“

„Eine Geburt ist ein einschneidendes Erlebnis und kann auch Traumata auslösen“, sagt Johannes Kopp, Familiensoziologe an der Universität Trier. Dennoch hat nach seiner Ansicht der Rückgang der Geburtenzahlen eher strukturelle und demografische Gründe, als mit negativen Erfahrungen bei der Entbindung zu tun. Das bestätigt auch das Statistische Bundesamt. „Eine der wichtigsten Ursachen für die sinkende Geburtenzahl ist die rückläufige Zahl der Frauen im Alter von Ende 20 bis Ende 30, also der Altersspanne, in der die meisten Kinder geboren werden“, erklärt die Behörde.

Die Studie „Faktoren der Kinderlosigkeit in Ostdeutschland“ des ifo Instituts Dresden hat sogenannte subjektive Faktoren, die Einfluss auf die Geburtenentwicklung haben, untersucht. Das Ergebnis: Ostdeutsche Paare bleiben vor allem deshalb oft kinderlos, weil sie ausreichend Zeit haben wollen für ihre Hobbys, ihre Freunde und ihren Beruf.

In einer weiteren Studie wurden mehr als 1.000 Frauen zwischen 18 und 50 Jahren befragt, warum sie kein Kind haben wollen. Hier gab fast ein Drittel (31 Prozent) an, dass für sie hohe Kosten ein Grund seien, auf Kinder zu verzichten.