Ende 2024 lebten hierzulande 17.900 Menschen mit 100 Jahren oder mehr. Medizin, Wohlstand und gesündere Lebensbedingungen treiben das Alter nach oben – doch die biologische Grenze bleibt bei 120 Jahren.
Hunde, wollt ihr ewig leben – so lautet der Titel des berühmten Kriegsbuchs von Fritz Wöss. Während aber die Teilnehmer der epochalen Schlacht um Stalingrad (heute Wolgograd, Russland) kaum auf ein langes Leben hoffen durften und 1942/43 zu Abertausenden einen gewaltsamen Tod erlitten, gibt es im heutigen Deutschland 80 Jahre nach Kriegsende immer mehr Hundertjährige. Zum Jahresende 2024 lebten hierzulande 17.900 Menschen im Alter von mindestens 100 Jahren, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte.
Das entspricht einer Zunahme von knapp einem Viertel seit 2011. Damals waren es noch 14.400 gewesen. In der Hochbetagten-Statistik spiegelt sich auch wider, dass Frauen eine deutlich höhere Lebenserwartung haben als Männer. So waren nur etwas mehr als 16 Prozent der Über-100-Jährigen männlich.
Als Gründe für die steigende Zahl von sehr alten Menschen in Deutschland verweist die Statistik auf verbesserte Lebensumstände, steigenden Wohlstand und medizinischen Fortschritt. Im Vergleich leben demnach in Hamburg, Sachsen und im Saarland die meisten Hundertjährigen – gemessen an der Bevölkerung. Die wenigsten von ihnen leben demnach in Bayern, Bremen und Brandenburg.
Als bislang bekanntester, ältester Mensch der Welt gilt die Französin Jeanne Louise Calment, die 1997 im Alter von 122,4 Jahren starb. Sie musste zeitlebens nicht hart arbeiten und fuhr bis ins hohe Alter täglich mit dem Fahrrad. Sie malte, praktizierte Rollerskating und jagte. Die Entwicklung zu einem immer längeren Leben für immer mehr Menschen wird aber wohl an ihre Grenzen stoßen.
“Tatsächlich sehen viele Forschende ein Alter von etwa 120 Jahren als eine natürliche Obergrenze für den Menschen an”, heißt es beim Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln. Zwar sei die durchschnittliche Lebenserwartung gestiegen, aber nicht die maximale Lebenserwartung – diese verharre nahezu konstant bei 120 Jahren. Ron Jachimowicz, Oberarzt für Onkologie und Forschungsgruppenleiter am Institut, unterstreicht: “Unser Körper ist nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht dazu gebaut, länger zu leben.”
Man könne zwar unter bestimmten Umständen ein einzelnes krankes Organ austauschen. “Aber da Altern den gesamten Organismus betrifft, bricht das Gesamtsystem des Körpers irgendwann zusammen”, sagt er. Viel Spielraum für Forschung und Medizin sieht der Onkologe und Wissenschaftler allerdings dabei, die letzten Lebensjahre zu einer gesünderen Lebensphase zu machen.
Der individuelle Alterungsprozess lässt sich womöglich beeinflussen und damit auch die Gesundheitsspanne verlängern: Vor allem durch ausreichend Bewegung, genügend Schlaf und gesundes Essen. All das ist keine Garantie dafür, 100 Jahre alt zu werden – aber eine solche bewusste Lebensweise schadet den Menschen, die sie befolgen, nicht.
Wie streng Russlands Langzeitmachthaber Wladimir Putin darauf achtet, wissen wohl nur wenige. Sicher scheint, dass er sich damit befasst. Hör auf zu trinken – und geh Ski fahren, zitierten ihn Beobachter Anfang 2024 bei einer an seine Landsleute gerichteten Rede. Und während einer Militärparade in Peking aus Anlass des Endes des Zweiten Weltkriegs sprach er mit Chinas Staatschef Xi Jinping, beide mehr als 70 Jahre alt, ob sich das Altern und der Tod besiegen ließen.
“Menschliche Organe können kontinuierlich transplantiert werden. Je länger man lebt, desto jünger wird man und kann sogar Unsterblichkeit erlangen”, übersetzte Putins Dolmetscher – scheinbar zufällig aufgenommen von einem Mikrofon während eines Mitschnitts. Weltweite Verbreitung war garantiert, in einer Zeit, in der immer wieder über gesundheitliche Probleme des Kriegsherrn spekuliert wird. Anfang 2022 befehligte er den Angriff auf die Ukraine. Xi Jingpin reagierte offenbar nicht verwundert auf Putin: “Einige sagen voraus, dass Menschen in diesem Jahrhundert bis zu 150 Jahre alt werden können.”
Und in den USA, Chinas großem Rivalen, investieren Bio-Enthusiasten wie Bryan Johnson und Milliardäre wie Peter Thiel, Jeff Bezos und Mark Zuckerberg Millionen in die Forschung. Bioinformatiker und Langlebigkeitsguru Aubrey de Grey erklärt, dass ein Mensch bald 1.000 Jahre alt werden könne, weil schadhafte Zellen durch Stammzellinfusionen repariert werden könnten. Thiel hat angekündigt, sich später einmal einfrieren zu lassen – damit er möglicherweise irgendwann in der Zukunft wiederbelebt werden kann.
Es gibt Wissenschaftler, die in Genen nach Strukturen suchen, die Langlebigkeit begünstigen, und Forscher, die durch Verjüngung von Blut Reparaturprozesse anstoßen wollen. Zukunftsversprechen für die einen, Science-Fiction für die anderen. Dabei gibt es bereits Fortschritte: Die durchschnittliche Lebenserwartung hat sich in den vergangenen 120 Jahren in den Industrieländern verdoppelt – sowohl für Männer als auch für Frauen.
Die Verringerung der Säuglings- und Kindersterblichkeit spielte eine entscheidende Rolle. Doch mittlerweile ist auch die verbleibende Lebenserwartung im höheren Alter deutlich gestiegen – dank Fortschritten in der medizinischen Versorgung, Hygiene, verbesserter Ernährung und Wohnsituation sowie gesünderen Arbeitsbedingungen. Die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt lag in Deutschland 2024 für Frauen bei 83,5 Jahren und für Männer bei 78,9 Jahren.
1871/1881 betrug sie für Männer 35,6 Jahre und für Frauen 38,5 Jahre. Bevölkerungsforscher und Biologen rechnen für die Zukunft mit einem weiteren Anstieg. In einer Bevölkerungsvorausberechnung geht das Statistische Bundesamt bis 2070 von einem Anstieg der Lebenserwartung für Männer von 4 bis 8 Jahren und für Frauen von 3 bis 7 Jahren aus.
Auch weltweit nehmen laut Vorausberechnungen der Vereinten Nationen Zahl und Anteil der mindestens Hundertjährigen zu: Kamen 2011 auf 10.000 Menschen 0,4 mindestens Hundertjährige, so waren es 2024 bereits 0,7. Vier Fünftel davon sind Frauen. Mit 121.000 die meisten mindestens Hundertjährigen gab es 2024 demnach in Japan, gefolgt von den USA mit 70.000 und China mit 43.000.