Ihr Arbeitsplatz ist der Ostsee-Strand

Seit Anfang Juli ist Katharina Gralla offiziell im Amt – als Strandpastorin zwischen Niendorf und Sierksdorf. Ihr Arbeitsplatz ist ein Ferienparadies.

Direkt an der Ostsee ist Tourismuspastorin Katharina Gralla für Urlauber da
Direkt an der Ostsee ist Tourismuspastorin Katharina Gralla für Urlauber daMarco Heinen

Timmendorfer Strand. Ungefähr eine halbe Tasse Sand passt noch in so einen Damenschuh, wenn schon ein Fuß drinsteckt. Nach dem Fototermin am Strand muss Katharina Gralla (50) erst einmal die Pumps ausleeren. Es dämmert schon, eine Viertelstunde später geht der Mond feuerrot über der Küste auf. „So ein Mond macht die Menschen glücklich. Dann sind sie dankbar und sie sind auch offener zu überlegen, wem sie dankbar sein könnten“, sagt die Theologin.
Gottesdienst in Timmendorf, Strandandacht in Scharbeutz, Konzertbesuch in Niendorf – es gibt eine Menge zu tun für Katharina Gralla, auch wenn es in den ersten Monaten vor allem darum geht, sich einen Überblick zu verschaffen und ein Gefühl für die Aufgabe als Strandpastorin zu bekommen. Wobei Gralla nicht nur Ansprechpartnerin für Urlauber ist, sondern auch die Kirchengemeinden unterstützen soll, unter anderem in Sachen Öffentlichkeitsarbeit.

Was das Meer mit den Menschen macht

Seit Juli ist Gralla Strandpastorin zwischen Niendorf und Sierksdorf. Fünf Gemeinden – zwei davon im Binnenland – mit sieben Kirchen gehören zur Kirchenregion Strand. „Ich habe die Aufgabe, die Kollegen im Sommer in der Region zu unterstützen, weil eben wesentlich mehr Touristen da sind als Einheimische“, sagt die Pastorin. Tatsächlich war Timmendorfer Strand mit fast 120.000 Übernachtungsgästen in der ersten Jahreshälfte das beliebteste Seebad an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste.
Und da ist noch etwas anderes: „Die Weite und der Blick in die Weite führen dazu, dass Menschen über sich und ihr Leben nachdenken“, sagt sie. Die Menschen kämen auch ans Meer, weil sie auf der Suche seien. „Ich würde sagen, es ist Gott“, so Gralla. Sie könne aber auch gut akzeptieren, wenn die meisten Urlauber es nicht so beschreiben würden.
Bevor sie im Mai nach Haffkrug zog, um sich auf ihre neue Aufgabe vorzubereiten, war Katharina Gralla Schulpastorin an der evangelischen Wichernschule in Hamburg-Horn. Es ist eine engere Welt dort. Schüler müssen zur Schule – ob sie wollen oder nicht. „Urlaub ist immer freiwillig, und man geht da gern hin“, meint die Mutter dreier Söhne im Teenager-Alter. „Hier geht es darum, Menschen zu gewinnen, die kein Angebot wahrnehmen müssen.“ Und doch sieht sie Gemeinsamkeiten: „Sowohl in der Schule als auch hier sind viele Menschen, die nicht ständig etwas mit Kirche zu tun haben.“ Für viele ist der Besuch eines Gottesdienstes am Urlaubsort der zweite im Jahr – nach Weihnachten.

Einfach mal Kirche ausprobieren

Die Gründe dafür sind vielfältig. Oft ist einfach der Lebensrhythmus ein anderer. Und plötzlich, im Urlaub, da passt es mal. „Ach, das war jetzt mal wieder schön. Ich sollte wieder öfter gehen“, solche Sätze höre man häufiger, sagt Pastorin Gralla. „Kirche bei Gelegenheit, ohne sich zu verpflichten, ohne da wieder hinzumüssen, einfach mal ausprobieren können – das ist die Freiheit, die man im Urlaub hat.“ Menschen kommen mit etwas in Berührung, was sie vielleicht mal gekannt, zwischenzeitlich aber vergessen haben. „Das ist das Spannende, denn das sind die Menschen, die mich am meisten interessieren“, so Gralla. Ob sie sich als Menschenfischerin sieht? Das Bild sei „schon ganz schön“, meint sie.
Es ist Zeit für Katharina Gralla, sich aufs Rad zu schwingen. Sie liebt die Touren am Abend oder auch früh morgens und fährt täglich bis zu 50 Kilometer den Küstenradweg rauf und runter. „Das ist meine Erholung zwischendurch. Da fühle ich mich wie im Urlaub“, sagt sie. Apropos Urlaub: Mitten in der Saison hat sie eine Woche frei – ausnahmsweise. Sohn Paul hat sich mit dem Deutschland-Achter für die Junioren-Weltmeisterschaft im Rudern in Rotterdam qualifiziert. „Da müssen wir hin und jubeln.“ Kurz darauf schwingt sie sich auf ihr E-Bike und düst los, während am Strand noch ein paar Pärchen im Sand sitzen, den Mond anschauen und den Wellen zuhören.