Von Anett Kirchner
Der Geruch von Holz, dämmriges, warmes Licht und eine schlichte Innenausstattung machen die besondere Atmosphäre der Martin-Luther-Kapelle im Süden Potsdams aus. Sie trifft vielleicht nicht jedermanns Geschmack. Die meisten in der Gemeinde können sich jedoch kein schöneres Gotteshaus vorstellen. Die kleine Kapelle am Försteracker bildet den Mittelpunkt der Auferstehungsgemeinde Potsdam und bedeutet für die Gemeindeglieder ein Stück Identität und Heimat.
Gottesdienste ineiner Art Wohnzimmer
Denn gerade in einer Stadt, in der es an majestätischen Prachtbauten nicht mangelt, fällt ein solcher bescheidener Kirchenbau auf. „Wir haben eben keinen großen sakralen Raum für unsere Gottesdienste, sondern nur eine Art Wohnzimmer“, sagt Roswitha Deichsel (36), die seit fast 30 Jahren zur Kirchengemeinde gehört. Ihr Vater war hier einst der Gemeindepfarrer.Gemütlich, familiär und hilfsbereit – diese Attribute fallen ihr sofort ein, wenn sie an die Gottesdienste denkt. „Jeder kennt jeden, außer vielleicht zu Weihnachten, da wird es wie überall auch bei uns in der Kapelle sehr eng“, sagt sie. Nur maximal 200 Menschen können an einem Gottesdienst teilnehmen. Die Gemeinde hat insgesamt 1800 Mitglieder. Ursprünglich war die Martin-Luther-Kapelle einmal eine Bergwerkskapelle für den Brefeld-Schacht in Tarthun im Harz. Weil sie dort nicht mehr gebraucht wurde, hat man sie 1934 nach Potsdam an den Försteracker versetzt. Die bis heute erhaltene liturgische Ausstattung im Inneren geht auf Entwürfe von Winfried Wendland aus dem Jahr 1962 zurück. Im Laufe der Jahre gab es immer wieder Instandsetzungsarbeiten und Anbauten, um neue Räume zum Beispiel für die Christenlehrekinder, den Elternkreis, für Musikgruppen, den Konfirmandenunterricht oder für den Kirchenchor zu schaffen.
„Ich bin wie ich bin und versuche das einzubringen“
„Ich erlebe diese Gemeinde als eine sehr selbstständige Gemeinschaft“, sagt Madeleine Mieke. Sie ist erst seit einem Jahr die Pfarrerin und muss sich noch eingewöhnen. „Ich bin wie ich bin und versuche das einzubringen“, sagt die 34-Jährige. Es sei ihr allerdings sehr leicht gefallen, sich in der Gemeinde zurechtzufinden.Mindestens 100 Leute engagieren sich hier ehrenamtlich. „Das sind auffällig viele, und das ist bewundernswert“, findet die Pfarrerin. Gesprächskreise und Musikgruppen organisieren sich in Eigenregie. „Falls es irgendwo Probleme gibt, hat immer jemand eine Idee oder eine Lösung“, erzählt sie weiter. Das kann vor allem Eva Felsmann bestätigen. Sie ist das „Urgestein“ der Kirchengemeinde und die Vorsitzende des Gemeindekirchenrates. „Ich kam mit meiner Familie 1945 nach Potsdam, wir waren Flüchtlinge“, erinnert sie sich. Zunächst habe ihre Familie im Pfarrhaus in Babelsberg gewohnt, weshalb sie zunächst auch die dortige Gemeinde besuchte. Nach und nach fühlte sie sich jedoch von den Aktivitäten der Auferstehungsgemeinde angezogen, sang hier im Chor und begann sich zu engagieren. Seit 30 Jahren ist sie Mitglied im Gemeindekirchenrat.
Zu DDR-Zeiten ein Dorn im Auge
„Unsere Gemeinde war, vor allem zu DDR-Zeiten, schon immer sehr fortschrittlich und auch politisch aktiv“, erzählt Felsmann. So habe zum Beispiel der ehemalige Pfarrer Siegfried Haff politische Gesprächskreise und einen Gottesdienst speziell für Jugendliche unter dem Motto „Einmal anders“ ins Leben gerufen. Da wurden moderne Lieder gesungen und freie Gebetsformen praktiziert. „Junge Leute aus ganz Potsdam kamen zu uns“, weiß die engagierte Christin. Das sei den damaligen Stadtvätern ein Dorn im Auge gewesen.Gegründet wurde die Auferstehungsgemeinde 1925. Sie ging aus einem Teil der Nikolaigemeinde, vor allem den Einwohnern der Teltower Vorstadt in Potsdam hervor. Zunächst spielte sich das Gemeindeleben in einem Gemeindehaus auf dem Brauhausberg ab, das im Zweiten Weltkrieg jedoch zerstört wurde. Seitdem bildet die Martin-Luther-Kapelle das Herzstück der Gemeinde. Besonders stolz sind die Gemeindeglieder auf ihren Kindergarten in eigener Trägerschaft, den es schon seit den 1940er Jahren gibt. „Er ist eine der Säulen unserer Kirchengemeinde“, sagt Madeleine Mieke. Derzeit besuchen ihn 46 Knirpse. „Die Eltern müssen jedoch nicht in unserer Gemeinde sein. Wir sind offen für alle“, erklärt die Pfarrerin. Genauso offen ist die Auferstehungsgemeinde für ihre Nachbarn. Bei großen Projekten, Festen, dem Konfirmandenunterricht oder Gottesdiensten arbeitet sie mit den drei Kirchengemeinden Bergholz-Rehbrücke, Stern und Drewitz-Kirchsteigfeld zusammen. So bringen sie auch einen gemeinsamen Gemeindebrief heraus.
Am Plantagenhaus 1114478 PotsdamTelefon: (0331)8713117www.evauferstehung.wordpress.com Gottesdienst: sonntags, 9.30 Uhr