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Eine Kandidatin für Braunschweig: Christina-Maria Bammel

Die Berliner Pröpstin Christina-Maria Bammel stellt sich am 12. Oktober als eine von zwei Kandidaten für das Bischofsamt in Braunschweig vor. Sie steht für Wandel, Vielfalt und eine inklusive Kirche.

Christina-Maria Bammel ist Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO)
Christina-Maria Bammel ist Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO)epd-bild/Christian Ditsch

Dass die Kirche beständig an Mitgliedern und Finanzkraft verliert, ist für Christina-Maria Bammel eher ein Ansporn als ein Grund zur Resignation. „Eine kleiner werdende Kirche muss nicht zwangsläufig leiser und weniger erkennbar sein“, ist die Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) überzeugt. In Berlin und Brandenburg ist kaum mehr als jeder zehnte Einwohner noch evangelisch. Im Braunschweiger Land, wo die 52-Jährige am 22. November zur Landesbischöfin gewählt werden will, steht die Kirche auf stabilerem Fundament, schrumpft aber auch dort beschleunigt.

Dennoch sieht die Stellvertreterin des Berliner Bischofs, zu deren Verantwortung in der EKBO unter anderem theologische Grundsatzfragen, Medienarbeit, kirchliche Weiterentwicklungsprozesse sowie die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gehören, die braunschweigische Landeskirche auf gutem Weg. Als „mitreißend“ bezeichnet Bammel die Fortschritte eines Veränderungsprozesses, mit dem die braunschweigische Landessynode ihre Kirche zukunftsfest aufstellen will, etwa durch die Neuorganisation des Pfarrdienstes in multiprofessionellen Teams. Bammel hebt die „Veränderungskraft und beeindruckende Gestaltungspragmatik“ der Landeskirche hervor und sagt: „Davon möchte ich gern Teil sein. Als Bischöfin, die für Verbindlichkeit, Klarheit und Erprobungsfreude steht.“ Der Öffentlichkeit stellt sie sich am 12. Oktober in einem Gottesdienst im Braunschweiger Dom vor.

Christina-Maria Bammel: Erfahrungen mit Transformationsprozessen

Noch ist Bammels Dienstsitz das Konsistorium der EKBO, die kirchliche Leitungsbehörde im quirligen Kiez Friedrichshain. Demnächst schon könnte für die mit einem Religionspädagogen verheiratete Mutter zweier erwachsener Töchter ein Umzug ins weitaus beschaulichere Wolfenbüttel anstehen. Eine Perspektive, die ihr keineswegs wie ein Schritt in die Provinz, sondern als Chance erscheint. Zum einen, weil die braunschweigische Landeskirche das Potenzial habe, „die wichtigen Dinge beweglich und zugleich konzentriert voranzubringen“. Zum anderen, weil es sie reize, ihre umfassenden Erfahrungen mit Transformationsprozessen in der halb städtisch, halb ländlich geprägten EKBO in die ähnlich strukturierte braunschweigische Landeskirche einzubringen.

Nicht nur der Gegensatz von Stadt und Land beschäftigt Bammel, sondern auch die unterschiedlichen Perspektiven der Menschen in Ost- und Westdeutschland. 1973 in Berlin-Pankow geboren und in Erfurt aufgewachsen, erlebte sie die Kirche in ihrer Jugend vor allem als einen „Safe Space“ vor der Enge des SED-Regimes, als einen Raum der Geborgenheit und des freien, kritischen Denkens.

Zugleich erfuhr sie, wie schmerzhaft die Zeit nach der Wiedervereinigung gerade in den östlichen Bundesländern empfunden wurde. Die Wahrnehmung unterschiedlicher, teils gegensätzlicher Lebensrealitäten habe in ihr den Wunsch nach „einer unbeirrt inklusiven Kirche“ wachsen lassen. Eine Kirche, die für alle Menschen in all ihrer Verschiedenheit offen sei, unterstreicht die promovierte Theologin, die vor ihrer kirchenleitenden Aufgabe unter anderem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Berliner Humboldt-Universität, als Referentin in der EKBO-Pressestelle sowie im Gemeindepfarramt in Berlin arbeitete.

Entsprechend will Bammel auch kirchenfernere Milieus stärker in den Blick nehmen. Menschen mit Armuts- und Migrationsgeschichte etwa. Oder solche, denen Religion gleichgültig geworden ist, die sich enttäuscht von der evangelischen Kirche abgewandt haben oder schmerzhafte Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen im Raum der Kirche machen mussten. Bammel betont, sie wünsche sich „kritische Außensichten“, die ihrer Ansicht nach zu einem „Kulturwandel hin zu gelebter Diversität in der Kirche“ beitragen könnten.

Christina-Maria Bammel (Foto Mitte) predigte beim Eröffnungsgottesdienst des 36. Deutsche Evangelische Kirchentag, einem der größten protestantischen Laientreffen, vor dem Brandenburger Tor in Berlin
Christina-Maria Bammel (Foto Mitte) predigte beim Eröffnungsgottesdienst des 36. Deutsche Evangelische Kirchentag, einem der größten protestantischen Laientreffen, vor dem Brandenburger Tor in Berlinepd/Friedrich Stark

Zudem sieht Bammel in der Stärkung des Ehrenamtes großes Potenzial. Sie sei beeindruckt „vom freiwilligen Engagement mit Gaben, Hand und Herz“ in der braunschweigischen Landeskirche. „Durch die Ehrenamtlichen entstehen kirchliche Orte der Weitherzigkeit und Nachbarschaft. Ohne sie wäre unsere Gesellschaft viel ärmer“.

Zugleich sei es wichtig, über die Mitgliedschaft hinaus in der Gesellschaft „selbst- und sendungsbewusst“ zuzuhören und gehört zu werden: etwa durch Seelsorge und in der Bildungsarbeit – und vor allem als „mutige Gegenstimme in einer mitunter gnadenlosen Zeit“.