„Es ist schön, dass das Alleinerziehen hier kein Stigma ist. Wir sind einfach alle Familien, die miteinander unterwegs sind“, so fasst eine Mutter ihren Eindruck der Ein-Eltern-Fahrt des Instituts für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) zusammen. 30 Mütter und Kinder haben sich auf den Weg nach Langeoog gemacht zu einer Fahrt für Familien mit einem Elternteil.
„Wir knüpfen mit dem Angebot an die Hauptvorlage ,Familien heute‘ an, in der sich die Evangelische Kirche von Westfalen unter anderem zur Aufgabe gemacht hat, Angebote für Alleinerziehende zu etablieren“, erklärt die Autorin dieses Beitrags vom Fachbereich Frauenreferat der EKvW. Zusammen mit Diakonin und Supervisorin Stefanie Röder hat sie das Programm inhaltlich ausgearbeitet. Neben gemeinsamen Angeboten für Mütter und Kinder bestimmten auch getrennte Phasen den Tagesablauf.
Im Fokus der Gespräche – sowohl bei den Müttern als auch bei den Kindern – stand unter anderem das Thema Medienerziehung. „Wie viel Mediennutzung ist angemessen? Wie kann ich Laptop oder Smartphone für Kinder sichern, so dass sie nicht auf gefährdende Inhalte stoßen? Wie lange nutze ich selbst eigentlich täglich Smartphone oder Tablet?“ – Diese Fragestellungen wurden in Vorträgen erörtert und unter den Müttern diskutiert.
„Bei mir führen Medien in der getrennten Lebenssituation zu ständigen Konflikten, weil es unterschiedliche Umgehensweisen gibt“, beschreibt die Mutter einer siebenjährigen Tochter ihre familiäre Situation. Trotz Mediation hat sie keine nachhaltige Verabredung mit dem Vater aushandeln können. „Mir hat es gut getan zu erfahren, dass mein Umgang mit Medien so auch in den Veranstaltungen empfohlen wird. Auch die Kinder profitieren von dem Austausch und sehen, dass nicht alle schon ein Tablet nutzen dürfen.“
Gemäß der Ergebnisse der BLIKK- Studie 2017 (BLIKK steht für „Bewältigung – Lernverhalten – Intelligenz – Kompetenz – Kommunikation“, Anmerkung der Redaktion) zu den Auswirkungen des Medienkonsums bei Kindern rät die Drogenbeauftragte der Bundesregierung zur „Digitalen Fürsorge“. Kinder sollten mit elektronischen Medien nicht allein gelassen werden. Mehr als 30 Minuten Nutzung pro Tag seien genug, und Medien sollten nicht dauerhaft im Kinderzimmer zur Verfügung stehen. Wichtig sei es, das analoge Leben zu fördern und echte Beziehungen aufzubauen, denn die Zahl der internetsüchtigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Bundesrepublik steigt. Derzeit wird sie auf 600 000 geschätzt.
Neben dem Thema Mediennutzung beschäftigten sich die Alleinerziehenden auch mit gendersensibler Erziehung, also der Erziehung jenseits von Rollenklischees. „Erst seitdem ich Mutter und alleinerziehend bin, spielt für mich das Genderthema eine Rolle“, erzählt eine 43-jährige Mutter aus Bochum. „Ich will meine Tochter nicht als rosa Prinzessin erziehen, aber das stößt auf Widerstände – bei ihren Freundinnen, aber auch in der Familie.“ Mädchen, so spürt sie, sollten höflich und freundlich sein, nicht zu laut, nicht zu dreckig und vor allem nicht zu willensstark.
Ihre Tochter scheint jedoch schon ein Gespür für diese klischeehafte Einteilung der Geschlechterrollen zu haben. Konterte sie doch die Äußerung „Was bist du süß!“ einer Verwandten: „Ich bin nicht süß! Ich bin schlau!“. Die Mutter hofft, „dass sich das immer mehr durchsetzt und sich die Gesellschaft noch mehr wandelt. „Ich möchte meine Tochter nicht in eine Schublade pressen.“
Die Kooperation zwischen dem Frauenreferat der EKvW und dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) NRW geht in das dritte Jahr und soll weiter fortgesetzt werden. Neben der Vernetzung der Alleinerziehenden organisiert der VAMV auch politische Kampagnen, aktuell zur Abschaffung des Ehegattensplittings. Unter dem Motto: „60 Jahre sind genug“ weist der Verband darauf hin, dass das Ehegattensplitting nicht gerecht ist, denn nicht alle Familien profitieren gleichermaßen davon.
Susanne Biniasch, Leiterin der Kontaktgruppe Bochum, freut sich auf weitere gemeinsame Angebote mit dem Frauenreferat der EKvW: „Ich bin dankbar für die Kooperation und die Vernetzung zwischen der evangelischen Kirche und dem VAMV. Das hilft mir in der Arbeit vor Ort. Die Kirche bietet damit eine wertvolle Struktur für alleinerziehende Mütter und Kinder, in der so vieles möglich wird.“
– Im nächsten Jahr ist ein neues Angebot für Ein-Eltern-Familien in der Zeit vom 12. bis 19. Oktober 2019 auf Spiekeroog geplant. Interessierte können sich bereits jetzt vormerken lassen. Kontakt: Frauenreferat der EKvW, Anke Engelmann, Telefon (0 23 04) 7 55-2 30, E-Mail: anke.engelmann@kircheundgesellschaft.de.
