„Ich bin kein Vorbild“

„American Psycho“ werde auf seinem Grabstein stehen, sagte er einmal. „Ich könnte unmöglich etwas schreiben, was bekannter sein wird“, erklärte der US-amerikanische Schriftsteller Bret Easton Ellis in einem Interview. Bei Erscheinen des Romans Anfang der 1990er Jahre stießen die detailgenauen Schilderungen von Gewalt- und Sexexzessen auf heftige Kritik. Zur Kultfigur wurde dann aber nicht nur der Antiheld des Romans, der reiche Yuppie, Psychopath und Serienmörder Patrick Bateman. Auch der Autor wurde international bekannt. Am 7. März wird er 60 Jahre alt.

Zunächst wollten viele Verlage das Buch nicht veröffentlichen. In Deutschland wurde es von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften erst indiziert, nach einer Klage des Verlags aber später freigegeben. Der Roman sei ohne Sinn und ohne Thema, monierte der Kritiker der „New York Times“, Roger Rosenblatt, in der Dokumentation „Killer, Trader und Psychopath – Bret Easton Ellis‘ Amerika“: „Wäre er nicht die widerlichste Veröffentlichung der Saison, wäre er sicher die lustigste.“

Die New Yorker Literaturprofessorin Kaima L. Glover hingegen sieht den Roman, der im Jahr 2000 mit Christian Bale auch verfilmt wurde, als stilisiertes Abbild der Zeit Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre mit „Hyperkonsumismus, Hypermaterialismus und Narzissmus“. Ellis habe die Figur benutzt, um all die Werte oder den Mangel an Werten unter der Oberfläche bloßzulegen. Die Kapitalismusapokalypse sei eine recht präzise Prognose gewesen, schrieb auch der deutsche Autor Benjamin von Stuckrad-Barre in seinem jüngsten Roman „Noch wach?“.

Ellis selbst erklärte: Bateman verkörpere für ihn alles, was er im Amerika jener Jahre grässlich gefunden habe. „Ich reagiere mit meinen Büchern auf gesellschaftliche Entwicklungen, die mir nicht gefallen“, sagte er in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Er würde sich aber „eher als apolitisch“ bezeichnen. „Ich bin kein Vorbild und bin wohl bis zu einem gewissen Grad gern verletzend“, räumte er im Jahr 2021 ein. Er stürze sich gern in Bereiche, die andere Schriftsteller mieden, „und zwar nur, weil ich es gern tue“.

Geboren wurde Ellis 1964 in Los Angeles. Bereits als Kind hätten ihn besonders Horrorfilme fasziniert, berichtete er in der Film-Dokumentation: „Sie zeigten den Schrecken, der die friedliche Oberfläche des Lebens erschütterte, das wir zu leben versuchten.“ Sein Vater, der als Immobilienentwickler zu Reichtum kam, sei Alkoholiker gewesen. „Dazu kam, dass ich mir meines Schwulseins, meines Andersseins bewusst wurde“, erzählte Ellis. Die Horrorfilme hätten dieses Lebensgefühl widergespiegelt.

Seine Fans schätzen ihn als Autor, der nüchtern und distanziert eine konsumfixierte, ausgehöhlte Gesellschaft seziert, und feiern ihn als Großmeister der Popliteratur oder auch als „Fänger im Roggen der MTV-Generation“. Bereits sein erster Roman „Unter Null“ von 1985 war in den USA ein Erfolg. Da war Ellis Anfang 20.

Der Text über eine Clique wohstandsgelangweilter Teenager in Los Angeles war eine Arbeit für den Kurs „Kreatives Schreiben“ am Bennigton College in Vermont gewesen. Sein Professor soll Ellis zu einer Veröffentlichung ermutigt haben. Bereits zwei Jahre nach Erscheinen kam das Werk mit Robert Downey Jr. verfilmt in die Kinos. Mit „Unter Null“ und dem Nachfolger „Einfach unwiderstehlich“ traf Ellis das Lebensgefühl vieler Jugendlicher in den 1980er-Jahren – ähnlich wie zu dieser Zeit Ellis‘ Schriftstellerkollege und Freund Jay McInerney („Ein starker Abgang“) oder die Jugendfilme „St. Elmos-Fire“, „Breakfast-Club“ oder „Ferris macht blau“.

Nach mehreren Romanen und Kurzgeschichten erklärte Ellis im Jahr 2012, dass ihn das Schreiben eines neuen Romans nicht interessiere. In Zeiten, in denen man auf dem Smartphone einen Film drehen und mit einer Twitter-Meldung einen Skandal provozieren könne, wandte er sich stattdessen der Arbeit an Drehbüchern zu und nutzte verstärkt die Plattform Twitter, heute X. Außerdem produziert er „The Bret Easton Ellis Podcast“, in dem er mit Künstlern wie dem Regisseur Quentin Tarantino über Literatur, Film und aktuelle politische Themen spricht.

Im Jahr 2023 veröffentlichte er nach 13 Jahren mit „The Shards“ dann doch wieder einen Roman. Wieder geht es um gut situierte Jugendliche, um Drogen, Sex und Partys. Auch Serienmorde spielen dort wieder eine Rolle. Aktuell ist zudem ein Horrorfilm-Projekt angekündigt, bei dem Ellis sein Debüt als Regisseur geben will.

Sein berühmtestes Werk bleibt aber „American Psycho“ von 1991. Darin feiert der Wall-Street-Banker und Serienmörder Bateman den New Yorker Unternehmer Donald Trump als Vorbild. Das sage doch viel über Trump aus, sagte Autor McInerney im Jahr 2021: „Dass ein Serienmörder sein größter Fan ist.“