„Ich bin ganz für dich da“

14 Diakone und Pädagogen hat die Nordkirche weitergebildet – für die Seelsorge an jungen Leuten. Im Interview verrät ein Kursleiter, Pastor Matthias Selke, wie der Kurs gelaufen ist.

Zum ersten Mal ist der Kurs für Jugendseelsorge angeboten worden
Zum ersten Mal ist der Kurs für Jugendseelsorge angeboten wordenTilman Baier

14 Diakone, Gemeinde- und Sozialpädagoginnen der Nordkirche und zwei aus dem Erzbistum Hamburg sind seit April 2021 berufsbegleitend weitergebildet worden: für die Seelsorge speziell an jungen Menschen. Am 26. Oktober in Güstrow bekommen sie ihre Zertifikate. Sybille Marx hat mit einem der drei Kursleitenden, dem Pastor und Matthias Selke vom Pädagogisch-Theologischen Institut der Nordkirche (PTI), über den Kurs gesprochen.

Herr Selke, warum braucht es spezielle Seelsorger für Jugendliche in den Gemeinden, man könnte ja auch denken: Für Seelsorge sind die Pastoren da?
Matthias Selke: Die kirchliche Seelsorgeausbildung hat zumeist den Erwachsenen im Blick. Jugendliche und junge Erwachsene nehmen Seelsorge aber eher zwischen Tür und Angel in Anspruch – bei der Autofahrt, beim gemeinsamen Gestalten von Aktionen oder auf Freizeiten. Auf einmal kommt etwas hoch, auf einmal merkt man als Zuhörer, als Zuhörerin, da will jemand Aufmerksamkeit. Und eben dafür wollen wir sensibilisieren: dass in der Arbeit mit jungen Menschen jederzeit so ein Raum aufgehen kann, ob in Präsenz, per E-Mail, am Telefon oder im Chat.

Was lässt sich denn zwischen Tür und Angel lösen?
Wenn ich als Seelsorger merke: Hier will sich mir jemand anvertrauen, dann ist das Wichtigste erst mal, dass ich ihm signalisiere: Ich bin ganz für dich da. Ich gebe dir den Schutzraum, den du brauchst, damit du erzählen kannst, was dich bewegt. Man geht also in Resonanz miteinander. Allein das ist meist schon eine wunderbare Erfahrung. So ein Gespräch kann kurzfristig Entlastung bieten, aber auch der Auftakt sein für weitere Gespräche an einem anderen Ort.

Matthias Selke
Matthias SelkePTI Ludwigslust

Wer hat an dem Kurs teilgenommen und wie ist es den Teilnehmenden ergangen?
Die 14 Teilnehmenden sind Diakone, Gemeinde- und Sozialpädagoginnen aus Kirchengemeinden und übergemeindlichen Einrichtungen. Sie haben sich in acht Modulen an je drei Tagen mit Themen wie Beziehungsgeschehen, Krisen, Umgang mit Gefühlen, Spiritualität und Prävention beschäftigt. Die Chatseelsorge war für viele ganz neu und wichtig. Ein hoher Zugewinn war auch, mit anderen über eigene Seelsorgegespräche zu reflektieren, sich klar zu werden: Wie bin ich eigentlich als Seelsorger, als Seelsorgerin, was gelingt mir da gut und wo muss ich vielleicht mal hinschauen? Zusammen mit dem systemischen Ansatz in der Beratung und der hohen Bereitschaft, sich voreinander zu öffnen, waren die Tage sehr intensiv.

Vor dem Kurs hatten die Teilnehmenden einen Grundkurs in „Transaktionsanalyse“ am PTI zu belegen. Warum gerade den?
Die Transaktionsanalyse, die aus der klassischen Psychoanalyse erwachsen ist, bietet sehr praxistaugliche Ansätze und Modelle für die Frage: Wie gelingt Beziehung zu mir selbst, zu anderen und in der Gruppe? Nützlich ist zum Beispiel die Unterscheidung von verschiedenen Ich-Zuständen. Oder von Grundeinstellungen zu mir, zum Nächsten, zur Welt, wie der Haltung „Ich bin okay, du bist okay“. Solche Ansätze aus der Transaktionsanalyse haben wir mit den Teilnehmenden im Blick auf die Seelsorge angeschaut und reflektiert.

Was können die Teilnehmenden jetzt nach dem Ausbildungskurs, was sie vorher nicht konnten?
Sie haben eine größere Sicherheit im Blick auf seelsorgerliche Kompetenzen, die sie vorher schon hatten, das wurde sehr deutlich. Sie sind sensibilisiert für die Vielfalt von seelsorglichen Anliegen. Und sie haben eine noch größere Bereitschaft, seelsorglichen Gesprächen entgegenzugehen, dafür offen zu sein.

Nach zwei Jahren voller Pandemieauflagen kämpfen ja mehr Jugendliche als vorher mit Depressionen, Ängsten, Essstörungen oder Motivationsschwierigkeiten. Wie können die neuen Jugendseelsorger und –Seelsorgerinnen da helfen?
Die seelsorgliche Arbeit ist gerade jetzt eminent wichtig: Junge Menschen erleben durch die Pandemie Einschränkungen, die Spuren hinterlassen haben. Zudem sind sie mit vielfältigen Krisen konfrontiert. All das füllt zusätzlich ihren Lebensrucksack. Das spüren die Hauptamtlichen, die mit ihnen arbeiten. Seelsorgerlich zu reagieren, heißt da, sensibel und mitfühlend auf die Themen der jungen Menschen einzugehen, ihnen Raum zu geben, ihre Ressourcen zu stärken.
Zur seelsorglichen Qualifizierung gehört auch, dass ich um meine Grenzen weiß und Jugendliche bei Bedarf ermutige, therapeutische Begleitung in Anspruch zu nehmen.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass sich für einen zweiten Kurs genügend Interessierte anmelden? 15 könnten ja teilnehmen?
Erstmal werden wir als Kursleitung vom PTI und von der Jungen Nordkirche den Kurs gemeinsam mit den Teilnehmenden und auch für uns evaluieren. Danach liegen Gespräche mit den Leitenden der Hauptbereiche an, um zu schauen, ob und in welcher Form eine Fortsetzung erfolgen kann und soll. Dass es einen fortlaufenden Bedarf an Seelsorge unter Jugendlichen gibt, wurde während des Qualifizierungskurses sehr deutlich. Und es ist jetzt etwas Gutes in die Welt gekommen. Wie viele Interessenten sich für einen zweiten Kurs anmelden würden, weiß ich zur Zeit nicht, das hängt von vielen Faktoren ab. Aber ich bin zuversichtlich, dass es einen zweiten Kurs geben wird.

Mehr Informationen zu den veranstaltenden Institutionen gibt es auf www.junge-nordkirche.de und www.pti.nordkirche.de.