Das geknickte Rohr nicht zerbrechen, den glimmenden Docht nicht löschen – da ist einer, der Hoffnung hat. Der nicht vor allem den Knick sieht, das Nachlassen des Lichtes und des Feuers. Einer, dem: „Das kann weg!“ nicht so schnell über die Lippen geht. Der Prophet malt uns das Bild eines „Gottesknechtes“ vor Augen, eines Menschen, der aus dem Geist Gottes lebt und die Welt betrachtet, und sich gerade deshalb nicht so leicht von der Hoffnung abbringen lässt.
Ein unaufgeregter Gottesknecht
Ein unaufgeregter Gottesknecht ist das – oder ist es eine Gottesmagd? – er schreit und ruft nicht. Er marschiert nicht grölend durch die Straßen, um seine Meinung kundzutun, sondern er wirkt – treu, unauffällig, stetig. Niemand jedenfalls, der sich für eine gute Vermarktung eignen würde; dennoch einer, von dem Gott sagt: „Das ist mein Knecht! Der gehört zu mir! Der handelt nach meinem Sinn, in meinem Geiste.“
Er bleibt voller Hoffnung, auch wenn das Rohr immer wieder knickt, wenn die Kerze sich nicht sofort zur Flamme emporarbeiten kann, sondern immer wieder in das Glimmen zurückfällt: Er bleibt dran, er gibt nicht auf.
Wer mit diesem Gottesknecht gemeint ist, der bei Deuterojesaja eine so wichtige Rolle spielt, darüber haben sich die Gelehrten reichlich Gedanken gemacht: Nehmen wir ihn an dieser Stelle einmal als Bild eines Menschen voller Gottvertrauen und Gottesbegeisterung, der uns den Weg durch das neue Jahr vorangeht. Ein Knecht, der uns gut begleiten kann in dieses neu anbrechende Jahr, in das wir hoffentlich mit viel Hoffnung starten.
Er lebt aus der Hoffnung, die sich nicht so leicht erschüttern lässt. Nicht durch persönliche Misserfolge und nicht durch Zeiten, die von einem Lockdown zum nächsten schlingern, nicht durch immer wieder neue Katastrophen-Nachrichten und nicht durch Knicke im Lebensweg.
Einer, der treu bei seinem Auftrag bleibt
Dieser Gottesknecht, dem wir einmal nacheifern wollen, der schmeißt nicht direkt die Flinte ins Korn, nach dem Motto „Es hat ja doch alles keinen Sinn. Kommt, wir lassen es ganz bleiben!“ „Es wird ja sowieso nicht besser.“ Der bleibt treu bei seinem Auftrag, der bleibt treu bei seinem Gott.
Wie aber lässt sich das durchhalten, festzuhalten an der Hoffnung, ohne dass sie weltentfernte Traumtänzerei wird?
„Der Geist Gottes ist auf ihm“: Dieser Gottesknecht, der ist begeistert, der weiß um seine Quellen der Kraft und der Hoffnung, der weiß um seine Orientierung und sucht sie nicht dauernd neu in einer sich wandelnden Gegenwart. Der bleibt bei seinem Auftrag und Ziel, Hoffnung hinauszutragen unter die Völker.
Genau das tut der Gottesknecht, genau das tut der, auf dem der Geist Gottes ist. Das tut Jesus Christus in dem gleichen Geist, und dieser Geist ist auf jeder und jedem, die oder der sich aus der Taufe heraus begreift. Hoffnung hinaustragen in die Welt, nicht durch die Knicke und Verdunkelungen irritieren lassen, sondern unaufgeregt weitergeben von dem, was uns trägt, von dem, der allein Zukunft ist.
Flammen
aus der Glut
Eine glimmende Kerze ist noch nicht aus, die kann wieder dafür sorgen, dass die Flammen hochschlagen, die kann wieder aufleuchten und erleuchten. Aus dem flackernden Lichtlein kann das Licht der Welt werden, das uns auch dieses neue Jahr erleuchten wird.
Predigttext
1 Siehe, das ist mein Knecht, den ich halte, und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen. 2 Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. 3 Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. 4 Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung. 5 So spricht Gott, der Herr, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Atem gibt und Lebensodem denen, die auf ihr gehen: 6 Ich, der Herr, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand. Ich habe dich geschaffen und bestimmt zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, 7 dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker. 8 Ich, der Herr, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern geben noch meinen Ruhm den Götzen. 9 Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es sprosst, lasse ich’s euch hören.
