Wenn Trump mit Abschiebungen ernst macht

Im Wahlkampf hat Donald Trump die größte Massenabschiebung in der Geschichte der USA versprochen. Millionen Menschen ohne gültige Papiere könnten ausgewiesen werden – schon bald.

9. November 2024, New York, USA: Einwanderer und Aktivisten nehmen an einer Kundgebung gegen die Trump-Regierung und seine Vorschläge zu Massenabschiebungen
9. November 2024, New York, USA: Einwanderer und Aktivisten nehmen an einer Kundgebung gegen die Trump-Regierung und seine Vorschläge zu MassenabschiebungenImago / ZUMA Pressdraht

Die Pläne von Donald Trump für Massenabschiebungen nehmen allmählich Gestalt an. Der designierte US-Präsident ernannte den früheren Chef der US-Grenzschutzbehörde ICE, Thomas Homan, zum Grenzschutzbeauftragten. Homan gilt als ausgewiesener Hardliner und wäre zuständig für die von Trump nach seinem Amtsantritt geplanten Massenabschiebungen. Der CEO des Bürgerverbandes „Liga vereinigter lateinamerikanischer Bürger“, Juan Proaño, warnte bereits im Sender CNN vor dem Vorhaben. Dies werde Millionen Menschen, ihren Familien und Communitys schaden, „auf die Trump es abgesehen hat“.

Geschätzt rund elf Millionen Menschen leben in den USA ohne Papiere – viele seit Jahren, viele sind beschäftigt und Steuerzahler, viele haben Kinder, die US-Staatsbürger sind. Sie machen etwa drei Prozent der Bevölkerung aus. Bei einer Konferenz konservativer Aktivisten im Juli betonte Homan, die Regierung werde keine Ausnahmen machen. Wer illegal im Land sei, solle „über seine Schulter schauen“. Trump betonte in einem TV-Interview, Kosten seien dabei kein Hinderungsgrund. Die Regierung will zusätzliche Grenzbeamte einstellen und Internierungslager schaffen.

200.000 Abschiebungen in den ersten 60 Tagen befürchtet

Jason Houser, von 2021 bis 2023 Stabschef der US-Grenzschutzbehörde ICE, sagte im Rundfunkprogramm „This American Life“, wie solche im Englischen als „mass deportations“ bezeichneten funktionieren könnten. Die ersten 90 Tage der Abschiebungen würden wohl „die Hölle sein“, so Houser: „Sie werden die Busse sehen.“ Kinder würden nicht mehr in den Schulen sein, andere würden in Abschiebezellen warten. Er rechne mit Razzien an den Arbeitsplätzen.

Es könne zügig gehen, möglicherweise 200.000 Abschiebungen in den ersten 60 Tagen, schätzt Houser. Die Grenzschutzbehörde werde sich anfangs auf Menschen aus Ländern konzentrieren, deren Regierungen Rückkehrer aufnehmen, zum Beispiel Haiti, Guatemala, Nicaragua und Honduras. Der designierte Vizepräsident J.D. Vance erklärte, man werde „mit einer Million anfangen“.

Trump verbreitet wilde Lügen gegen „Illegale“ im Wahlkampf

Trump hatte im Wahlkampf wilde Lügen gegen „Illegale“ verbreitet, die vergewaltigten, raubten und das amerikanische Blut vergifteten. Trumps Abschiebungsvorhaben genießt die Unterstützung in beträchtlichen Teilen der Bevölkerung. Einer Umfrage des „Public Religion Research Institut“ (PRRI) zufolge befürworten 47 Prozent der Amerikaner und 79 Prozent der Republikaner Maßnahmen, Illegale aufzugreifen und abzuschieben – selbst wenn man dazu Lager unter Kontrolle der Militärs einrichten müsste.

Donald Trump, der gewählte Präsident, kommt auf die Bühne der Republican Watch Party im Palm Beach Convention Center, nachdem er gerade zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt wurde
Donald Trump, der gewählte Präsident, kommt auf die Bühne der Republican Watch Party im Palm Beach Convention Center, nachdem er gerade zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt wurdeImago / News Licensing

Allerdings trifft die Vorstellung, dass christliche Verbände und Bürger lateinamerikanischer Abstammung besondere Sympathie für Menschen ohne Papiere hegen, nicht unbedingt zu. Besonders stark ist die Zustimmung zu Abschiebungen laut PRRI bei weißen Evangelikalen und weißen Protestanten. Nachwahlbefragungen zufolge haben am 5. November aber auch 46 Prozent der Latinos und Latinas für Trump gestimmt, deutlich mehr als 2020.

Bischöfe: Abschiebeprogramme müssen Menschenrechte respektieren

Der in der Konferenz der römisch-katholischen Bischöfe für Migrationsfragen zuständige Bischof Mark Seitz aus der an der Grenze liegenden Diözese El Paso äußerte unlängst Sorgen wegen Trumps Rhetorik im Wahlkampf, berichtete der Informationsdienst Catholic News Agency. Allerdings wollten die Bischöfe nicht vorschnell handeln, bevor die Regierung konkrete Pläne vorlegte. Abschiebeprogramme müssten Menschenrechte respektieren.

Zwar gehören Abschiebungen in den USA zum Alltag. In dem von Trump angestrebten hohen Ausmaß würden sie jedoch hohe menschliche und wirtschaftliche Kosten verursachen, heißt es in einer Studie des Instituts American Immigration Council. Geschätzte 5,1 Millionen Kinder lebten mit einem Familienmitglied ohne Papiere im Land, denn die Staatsbürgerschaft erlangt man durch Geburt in den USA.

Massenabschiebungen drohen 1,5 Millionen Arbeitern

Laut American Immigration Council drohen Massenabschiebungen 1,5 Millionen Arbeitern im Bausektor, einer Million in Hotellerie und Restaurants sowie vielen Hunderttausenden in der Landwirtschaft, in Fabriken und in anderen Bereichen. Sogenannte „Undokumentierte“ machten oft Jobs, die sonst niemand machen will. Eine solche hohe Zahl an Abschiebungen wäre also verheerend für die Bauindustrie, warnte im NBC-Fernsehen der CEO des Nationalen Verbandes der Hausbauer, Jim Tobin.

Donald Trump veranlasste bereits in seiner ersten Amtszeit (2017-21) viele Abschiebungen. In diesem Zeitraum ließ er nach Berechnung des Think-Tanks Migration Policy Institute 1,5 Millionen Menschen ausweisen. Trump sei damals durch Gerichtsurteile, Gesetze, den Widerstand örtlicher Behörden und von Behörden auf Ebene der Bundesstaaten sowie durch den Kongress gebremst worden. Doch allem Anschein nach werden diesmal Trumps Republikaner die Mehrheit im Kongress haben. Mehrere Rechtshilfeorganisationen sagen, sie bereiteten bereits Zivilklagen vor.