Amadeus und Maria Anna Mozart fliehen aus Salzburg, vor den dortigen Konventionen und einer arrangierten Ehe – und müssen in Wien um ihre Existenz kämpfen. Frisch und modern erzählte Serie über ein kreatives Dreamteam.
Es kommt nicht häufig vor, dass man sich bei einer deutschen Fernsehproduktion an einen legendären Kinofilm wie Sophia Coppolas “Marie Antoinette”, eine Netflix-Erfolgsserie wie “Bridgerton” sowie europäisches Arthouse-Kino à la Bernardo Bertoluccis “Die Träumer” mit seiner Dreiecksgeschichte erinnert fühlt. Bei der hochklassig produzierten Miniserie “Mozart/Mozart” ist das tatsächlich der Fall: Die sechs Episoden erzählen die fiktive, wenn auch an historischen Eckdaten verankerte Geschichte vom produktiven kreativen Schaffensprozess der Geschwister Mozart sowie deren Kampf um eine (finanzielle) Existenz an dem Jahr 1781.
Vor allem aber rücken sie die Rolle der Schwester des sogenannten Wunderkindes in den Fokus. Wie wichtig und eng die Beziehung von Amadeus und seiner fünf Jahre älteren, musikalisch nicht minder begnadeten Schwester Maria Anna war, ist in zahlreichen Briefen und Tagebucheinträgen belegt. Die Produktion, die Das Erste am 16. und 17. Dezember jeweils von 20.15 bis 22.30 Uhr ausstrahlt, erzählt, wie sich das Geschehen aus weiblicher, aus Maria Annas Perspektive dargestellt haben könnte.
Während der “Bach”-Film der ARD vor genau einem Jahr vom Beitrag des Familien-Kollektivs zum Barock-“Genie” Johann Sebastian Bach erzählte, ist es nun die Schwester, ohne die das Klassik-“Genie” Wolfgang Amadeus Mozart nicht vorstellbar ist. Ansonsten jedoch unterscheiden sich die Produktionen stark: “Bach” blieb näher an den historischen Fakten und deutlich konventioneller in seiner Erzählweise.
“Mozart/Mozart” dagegen tritt opulent, lautstark und betont heutig auf, setzt auf moderne Figuren und eine aktuelle Sprache, nutzt Popmusik und Überzeichnungen. Frappant abzulesen ist dies an Verena Altenberger: Nach der Bach-Gattin Anna Magdalena gibt sie diesmal Marie Antoinette – nicht minder überzeugend, mit offensichtlich großer Spiellaune und herrlich blasiert. Als verschwendungssüchtige Diva treibt sie ihren Bruder und Gastgeber, den sich bescheiden gebenden Kaiser Joseph II. (grandios: Philipp Hochmair), in den Wahnsinn.
Auch die Bemühungen des aus Salzburg geflohenen Geschwisterpaares Mozart um eine finanzielle Existenz kreisen um die Wiener Hofburg: Weil Amadeus mit seiner Unangepasstheit das finanzielle Auskommen der Familie ruiniert hatte, sollte Maria Anna dort gegen ihren Willen verheiratet werden. Diesem Schicksal zu entkommen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ist die Motivation der jungen Frau.
Havana Joy spielt sie frisch und selbstbewusst, bildet mit ihrer Figur das mitreißende Zentrum. Amadeus wird von Eren M. Güvercin nicht weniger stimmig dargestellt, kann allerdings in Sachen innerer Antrieb nicht ganz mithalten. Sein drogenaffiner, impulsiver Protagonist ist vor allem am schnellen Genuss interessiert, macht aber ebenfalls eine Entwicklung durch – vor allem nach seiner Heirat mit Constanze (Sonja Weißer), die schon bald die Dritte in diesem jugendlich-überschwänglichen Bunde ist.
Regisseurin Clara Zoe My-Linh von Arnim, die unter anderem für “Die Zweiflers” viel gelobt wurde, setzt auch in ihrer flott und effektiv inszenierten Serie über die Mozarts auf die Themen Diversität und Identität, einen vielfältigen Cast, unkonventionelle Geschlechterzuschreibungen und das Spiel damit. Naiv aber sind Regie und Buch (Andreas Gutzeit und Swantje Oppermann) nicht: Das fahrende Volk, dem sich Amadeus und Constanze zwischenzeitlich anschließen, wirkt wie ein Hippietraum – der aber letztlich an der Wirklichkeit zerschellt.
So bleibt ein einziger, wenn auch gewichtiger Kritikpunkt: Wie kann eine Produktion über die musikalische Kraft der Mozarts eben dieser nicht vertrauen? Als in der zweiten Folge Maria Anna, verkleidet als ihr Bruder, die Zuhörenden am Klavier in einen emotionalen Rausch versetzt, wird die Mozart-Komposition zunehmend von Pop-Klängen überlagert. Auch wenn man die Intention dahinter ahnt – Mozart war damals das, was heute Pop ist: ein Sakrileg. Dennoch eine sehenswerte, packende Produktion.