Hitzehilfe durch geöffnete Kirchen
Kirchen sind Schutzräume. In Zeiten der Klimakrise können sie auch bei steigenden Temperaturen Zuflucht bieten. Pfarrer Steffen Reiche sieht damit auch eine Chance für den Glauben.
Wenn das Thermometer im Sommer wieder steigt, sind kühle Räume ein Segen. Und nicht nur das. Eine offene Kirche ist auch immer eine Einladung.
Für viele Menschen sind unsere Kirchen „Gottes Hütte bei den Menschen“ (Offenbarung 21,3). Und dann sind sie aber meistens leider zu. Dicht. Geschlossen. Ich weiß nicht, ob wir, die wir uns zur Kirche und zu Gott bekennen, immer schuld daran sind, dass die Menschen so selten kommen. Viele haben wohl schlicht anderes zu tun. „Besseres“, als die Kirche oder unsere Gottesdienste zu besuchen. Sie sind müde von dem, was sie sich vorgenommen und selbst aufgetragen haben. Bis sie, oft überraschend, erkennen: „Es gibt mehr, als wir uns in unserer Schulweisheit träumen lassen.“ (Shakespeare). Bis sie irgendwo bei einem Problem in ihrem Leben aufschrecken und fragen: „Wo ist denn mein Gott? Wo ist Gott? Wo ist er für mich?“
Macht die Tore weit auf!
Dann sollte die Kirche auf sein. Muss sie auf sein. Sollte sich öffnen. Unsere Gemeinde hat, als der Lockdown in der Corona-Krise begann und man nur noch spazieren gehen konnte, die Kirche an der Rehwiese in Berlin-Nikolassee aufgemacht. Täglich.
Und haben dafür (fast) immer eine/einen gefunden, die/der das übernahm. Drei Jahre lang. Bis heute. Ich habe anfangs selbst nicht geglaubt, dass das gelingen könnte. Aber bin eines Besseren belehrt worden. Es gibt Menschen im Ruhestand, die bereit sind, für zwei Stunden da zu sein. Gottes Hütte bei den Menschen zu öffnen. Und sie sind begeistert. Denn eine Kirche zu öffnen, Menschen unter Gottes Hut schlüpfen zu lassen, ist ähnlich schön, wie Enkel – Engel – zu hüten. Einmal im Jahr feiern wir bei mir, dass wir gemeinsam durchgehalten haben, und freuen uns an uns und dem, was wir tun. Zur Ehre Gottes.
Kirche als Fluchtort
Unsere Kirchen sind zu wertvoll, zu schön und besitzen zu viele Schätze, als dass wir sie unbeaufsichtigt lassen könnten. Aber zu resignieren und sie ausschließlich am Sonntag zu öffnen oder wenn Eingeweihte, wenn Kirchenglieder dort etwas gestalten, das kann es doch auch nicht sein.
Nun steht die Kirche mit dem Klimawandel, der viel früher kommt, als Expert*innen es uns prophezeit und angekündigt haben, vor der nächsten großen Herausforderung. Nicht nur als Hort der Ruhe. Sondern als lebenswichtiger Ort der Abkühlung. Als Fluchtort vor großer Hitze. Wo die Gedanken zur Klarheit reifen, nachdem der Körper wohl temperiert werden konnte.
Ort der Ruhe und ein Stück Heimat
Und die Gedanken dann neu zur Ruhe und zur Reife kommen. Und dem danken, der die Hütte Gottes bei den Menschen letztlich gebaut hat. Ihm. Gott selbst. Kirche kann ein Safe Space ein
Kirche ist ein Asyl-Ort. Ein Safe Space. Nun werden Kirchen in vielen Ländern mehr noch als bei uns, zum Asyl-Ort, zum Safe Space vor Hitze. Vor allem für die, die sich andere kühle Orte nicht leisten können. Es gibt bereits ein Netzwerk von Kirchen, die sich daran beteiligen. Von der Kirchenleitung geknüpft, die uns immer wieder neu mit E-Mails dazu ermuntert. Bestärkt. Stark macht. Die Menschen werden wohl leider durch offene Kirchen nicht wieder zurückkehren und zu Gliedern der Gemeinden. Aber sie werden ein Stück Heimat in unseren Kirchen finden. Nicht mitsingen. Aber mitsummen. Zur Ehre Gottes. Voller Dank. Dass sie ohne uns und unsere Gottesdienste, still für sich, allein in der Kirche, den wiederentdecken, auf den wir doch mit allem, was wir als Gemeinde Gottes in der Welt tun, hinweisen wollen. Kleinglauben sollte uns nicht davon abhalten. Und wenn, dann lassen Sie uns einfach beten „Hilf meinem Unglauben.“
Eine offene Kirche ist ein Auftrag Gottes
Denn: Offene Kirche ist ein Auftrag Gottes. Nicht mehr. Nicht weniger. Viel mehr, fürchte ich, als vieles von dem, was wir uns ausdenken und Tag für Tag tun. Gott will nah bei den Menschen sein. Manchmal braucht es dafür nur eine Offene Kirche.
Steffen Reiche ist Pfarrer in der Kirchengemeinde Berlin-Nikolassee