Historikerin: Mythos der Trümmerfrauen korrigieren
Frauen haben nach dem Zweiten Weltkrieg den Schutt in zerbombten Städten weggeräumt und das Land wieder aufgebaut: Dieses Geschichtsbild stimmt so nicht. Das zeigt eine neue Forschungsarbeit.
Die Historikerin Miriam Gebhardt hält das gängige Bild der deutschen Trümmerfrau für “stark übertrieben” und “zu strahlend poliert”. Die Realität nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sei “viel grauer und ambivalenter als das Bild, das uns vermittelt wurde”, sagte Gebhardt der “Süddeutschen Zeitung” (Mittwoch). “Unsere Großmütter waren nicht die wackeren, emanzipierten Frauen, die dann in eine Opferrolle gedrängt wurden, als die Männer ihnen wieder die Verantwortung genommen haben.” Frauen hätten ebenso wie Männer in der damaligen Geschlechterordnung funktioniert und an sie geglaubt.
“Die Frau war nur eine Reservistin gewesen, die eingesprungen ist, als die Männer weg waren”, fügte die an der Universität Konstanz lehrende Wissenschaftlerin hinzu. Die Vorstellung, dass Frauen sich damals emanzipiert und auf eigene Beine gestellt hätten, “und dann kamen die bösen Männer zurück und haben ihnen alles wieder weggenommen”, habe “nie gestimmt”. So seien die Mütter damals überzeugt gewesen, “dass sie ihre Kinder und vor allem die Söhne nicht allein erziehen können”.
Alle Frauentätigkeiten nach 1945 – von der Suche nach Wohnraum über die komplizierte Versorgung bis zur Erwerbstätigkeit – waren laut Gebhardt erzwungen. “Und sie waren nicht neu, weil Frauen ja schon im Krieg unter anderem in Munitionsfabriken oder als Erntehelferinnen hatten arbeiten müssen.”
Entsprechende Fotos von Frauen mit Schaufeln vor Trümmerhaufen zerbombter Städte sind nach Erkenntnissen der Historikerin “gestellt” und dienten Imagekampagnen. “Die Bevölkerung musste motiviert werden aufzuräumen. Peinlich daran war, dass die Trümmerbeseitigung bis Ende des Krieges von Zwangsarbeitern geleistet worden war. Das war eine gefährliche, grausige und krank machende Tätigkeit, bei der oft Leichenteile zum Vorschein kamen.” Deshalb habe man sie zu einer “Heldinnen-Aufgabe” erklärt.
Die Realität sah laut Gebhardt anders aus. “In München wurden dafür Frauen zwangsweise eingesetzt, die sich im Nationalsozialismus verstrickt hatten und auf diese Weise Sühne leisten mussten. In anderen Städten wurden mittellose Frauen regelrecht erpresst: Nur wenn sie Schutt schleppten, bekamen sie Lebensmittelkarten.”