Historikerin: Ephraim Kishon hat sich nicht als Versöhner verstanden
Die Historikerin Silja Behre rät zu einer differenzierten Sichtweise auf das Leben des vor 100 Jahren geborenen Schriftstellers Ephraim Kishon. Das Bild des Holocaust-Überlebenden als Brückenbauer zwischen Israelis und Deutschen sei konstruiert, sagte die Kishon-Biografin dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Die Deutschen hatten ihm diese Funktion zugeschrieben. Sie hatten diesen Wunsch nach Versöhnung. Kishon selbst hat sich überhaupt nicht als Versöhner oder Mittler verstanden.“
Der am 23. August 1924 in Budapest als Ferenc Hoffmann in eine jüdische Familie hineingeborene Kishon ist einer der erfolgreichsten Satiriker des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. Anfang Mai 1944 wurde er mit anderen jungen Männern in Arbeitslager auf dem Gebiet der heutigen Slowakei deportiert. Im Oktober 1944 gelang ihm die Flucht. Später siedelte er nach Israel über. Nach einer langen Karriere als Schriftsteller, Theater- und Filmregisseur starb er am 29. Januar 2005 im Alter von 80 Jahren in der Schweiz.
„Seine Satiren waren ja auch nicht für ein deutsches Publikum geschrieben“, fügte Behre hinzu: „Sein Erfolg bei den deutschen Lesern war ihm eine Genugtuung. Aber es war nicht sein Ziel gewesen. Es war auch nicht sein Ziel, anzunähern und zu versöhnen. Das war ein Nebeneffekt seines Erfolgs, der von den Deutschen auch konstruiert, gewünscht, ja herbeigeredet worden ist.“ Dass er der Lieblingsautor der Nachkommen seiner Henker sei, sei „die wahre Ironie der Geschichte“, schrieb Kishon selbst einmal.
In den Erklärungen zu Kishons Erfolg werde oft gesagt, die Deutschen konnten sich im Lachen von ihrer Schuld erleichtern und man konnte wieder mit Juden und über Juden lachen, sagte Behre weiter: „Das ist eine Deutung, die man schwer prüfen kann, die aber viel über den deutschen Wunsch nach Annäherung durch den jüdischen Humor aussagt.“
Behre studierte Geschichte in Bielefeld und Paris. Es folgten akademische Stationen an der Hebrew University in Jerusalem und dem Minerva Institute for German History an der Universität von Tel Aviv. Sie forscht zur Geschichte der deutsch-israelischen Wissenschaftsbeziehungen.