Historiker: Oldenburger Kunstmäzenin Edith Ruß gehörte NSDAP an
Das Edith-Russ-Haus für Medienkunst in Oldenburg soll wegen der NS-Vergangenheit seiner Namensgeberin einen neuen Namen erhalten. Unabhängige Historiker haben belegt, dass die Namensgeberin und Stifterin des Hauses seit dem 1. Januar 1941 der NSDAP mit der Mitgliedsnummer 8346788 angehörte, wie die Stadt Oldenburg am Mittwoch mitteilte. Den Antrag auf Aufnahme in die Nazi-Partei habe die Oldenburger Journalistin, Pädagogin und private Kunstsammlerin am 21. November 1940 gestellt. Ruß hatte nach 1945 ihre Mitgliedschaft in der Partei stets geleugnet. Sobald die endgültige Fassung des Gutachtens vorliegt, soll es auf der Internetseite der Stadt veröffentlicht werden.
Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) sprach von einem Vertrauensbruch: „Aus meiner Sicht ist es für eine städtische Kultureinrichtung nicht mehr tragbar, den Namen Edith Ruß im Titel zu verwenden.“ Die NS-Verstrickung der Namensgeberin sei zu einer nicht länger hinnehmbaren Belastung geworden. In Gesprächen mit Kunstschaffenden, Sponsoren und Kooperationspartnern sei eine spürbare Distanz und der Wunsch nach einer Namensänderung deutlich geworden. Krogmann, der auch Kulturdezernent der Stadt ist, kündigte an, er werde den Ratsgremien vorschlagen, künftig auf die Nennung von Edith Ruß im Titel des Hauses zu verzichten.
Laut dem von der Stadt Oldenburg in Auftrag gegebenen Gutachten der beiden Historiker Mareike Witkowski und Joachim Tautz gibt es keine Hinweise darauf, dass sich Ruß selbstkritisch mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus auseinandergesetzt hat. Im Entnazifizierungsverfahren, dem sich Ruß zu Beginn der 1950er Jahre stellen musste, habe sie ihre Parteimitgliedschaft verneint und sei schließlich als „unbelastet“ eingestuft worden. An dieser Unwahrheit habe sie ihr Leben lang festgehalten.
Für das Gutachten untersuchten Witkowski und Tautz Artikel, die Ruß als Journalistin für unterschiedliche Zeitungen im NS-Pressewesen zwischen 1939 und 1945 verfasste. In dieser Zeit schrieb sie für die „Oldenburger Nachrichten für Stadt und Land“, die Berliner Frauenzeitschrift „Hella“ und die Wochenzeitung „Schlesische Wochenpost“ in Breslau. Von Juli 1943 bis Mai 1945 leitete sie das Feuilleton der „Oldenburgischen Staatszeitung“.
In den Artikeln findet sich laut Witkowski und Tautz „Gedankengut, das sich als völkisch und nationalistisch einordnen lässt“. Antisemitische oder rassistische Aussagen habe sie in ihren Texten jedoch nicht getätigt. Anhand der überlieferten Artikel könne Ruß weder als fanatische Nationalsozialistin eingeordnet werden, noch als Journalistin, die sich ihre Unabhängigkeit bis zum Schluss bewahrt habe. Die Artikel charakterisierten die Historiker als einen „Beitrag zur Normalisierung und Stabilisierung des NS-Regimes – wenn auch auf einer untergeordneten Ebene“.
Die beiden Historiker untersuchten auch die zweite Stifterin für das Edith-Russ-Haus, Elisabeth Brand (1898 – 1993). Die Lehrerin und spätere Schulleiterin sei bereits am 1. Mai 1933 in die NSDAP eingetreten und bis zum Ende der NS-Zeit in nationalsozialistischen Einrichtungen aktiv gewesen.1946 sei sie aufgrund ihrer Parteimitgliedschaft und ihrer Ämter aus dem Schuldienst entfernt, später aber wiedereingestellt worden.