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Historiker Karl Schlögel sieht Friedensbewegung am Scheideweg

Der diesjährige Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels stellt der Friedensbewegung in Deutschland kein sonderlich gutes Zeugnis aus. Zugleich plädiert er für klare Kante gegen Russlands Präsident Wladimir Putin.

Historiker Karl Schlögel sieht die Friedensbewegung in Deutschland am Scheideweg. “Friedensbewegung heißt doch, den Anfängen zu wehren, den Aggressor zurückzuweisen und den Angegriffenen beizustehen”, sagte der diesjährige Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels am Dienstag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Im Osten Europas sei Russland der Angreifer. “Bei allem guten Willen und bei allen guten Absichten muss eine Friedensbewegung, die diesen Namen verdient, dieser Wirklichkeit Rechnung tragen. Vielleicht hat man nach 70, 80 Jahren Friedenszeit den Sinn dafür verloren, wovon die Gefahr ausgeht und wofür man gerüstet sein muss.”

Zugleich befürwortete Schlögel einen harten Kurs gegenüber Russlands Präsident Wladimir Putin. “Es ist eigentlich kein weiterer Beweis notwendig, dass es Putin ernst ist, den Krieg fortzuführen; und dass er diplomatische Initiativen nur nutzt, um Zeit zu gewinnen”, so der Historiker, der ein Spezialist für die Geschichte Osteuropas ist. Während Putin von US-Präsident Donald Trump in Alaska empfangen worden sei, habe er die schwersten Bombenangriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kiew seit Kriegsbeginn befohlen.

Bereits 2014 habe der russische Präsident die Krim besetzen lassen, führte Schlögel weiter aus. “Das war die erste gewaltsame Grenzverschiebung in Europa nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Und es hat lange gedauert, bis man sich bewusst wurde, dass Kiew, eine große europäische Hauptstadt, Tag und Nacht bombardiert wird. Wie würden wir wohl reagieren, wenn Bomben auf Marseille, Triest oder Barcelona fielen?”

Am 19. Oktober erhält Schlögel in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die Laudatio hält die ukrainische Journalistin und Autorin Katja Petrowskaja. Das ZDF überträgt die Verleihung live.