Historiker: Blockade Leningrads hatte „völkermörderische Absichten“

Der Historiker Götz Aly hält die russische Forderung nach einer Anerkennung der deutschen Blockade von Leningrad im Zweiten Weltkrieg als Völkermord für historisch legitim. Die deutschen Aggressoren hätten 1941 die vollständige Belagerung Leningrads mit dem Ziel geplant, dass dort ungefähr fünf Millionen Menschen hätten verhungern und erfrieren sollen, sagte Aly der „Berliner Zeitung“ (Mittwoch/Print). Hitler wollte Leningrad „dem Erdboden gleichmachen“. „Diese Pläne speisten sich aus eindeutig völkermörderischen Absichten“, sagte der Holocaust-Forscher.

Dass die aktuelle Forderung der russischen Regierung nach Anerkennung nicht frei von der aktuellen politischen Lage erhoben wurde, nehme ihr „etwas von der notwendigen Ernsthaftigkeit“, sagte Aly. Er plädiere dafür, auf die russische Forderung mit Verständnis zu reagieren und angemessene Formen des Gedenkens zu finden.

„Wir sollten über die Gegenwart hinausdenken“, sagte der Historiker. Versöhnung zwischen Völkern sei eine langwierige Angelegenheit: „Wir müssen weiterhin und deutlich an die Millionen russischer Familien erinnern, die fast alle Angehörige im Verteidigungskrieg gegen Deutschland verloren haben und um ihr Lebensglück gebracht wurden.“

Als „widerwärtig“ kritisiert Aly den Vergleich des russischen Präsidenten Wladimir Putin der Blockade Leningrads von September 1942 bis Januar 1944 mit der Abriegelung des Gazastreifens durch die israelischen Streitkräfte. „Es verrät viel über das verquaste, seinen jeweiligen Machtgelüsten untergeordnete historische Denken Putins“, sagte der Historiker.