Hirnliga beklagt Demenz-Diskriminierung in Forschung und Therapie

In einer alternden Gesellschaft werden Alzheimer und Demenz immer größere gesellschaftliche Herausforderungen. Medikamente können helfen, vor allem braucht es laut Experten Früherkennung, Prävention und bessere Betreuung.

Neue Alzheimer-Medikamente machen laut Experten nur bedingt und im frühen Stadium der Erkrankung Hoffnung. Zugleich beklagt die Hirnliga, dass die Erfolge der Forschung im Bereich Alzheimer sowie Demenzerkrankungen zu wenig gewürdigt würden. Erfolge bei der Behandlung von Alzheimer würden runtergespielt, sagte die Vorsitzende Isabella Heuser am Freitag in Berlin. Demenzerkrankungen befänden sich “immer noch in so einer Art Schmuddelecke”.

Heuser bedauerte vor diesem Hintergrund, dass die Europäische Arzeimittelagentur in diesem Frühjahr das Medikament Lecanemab zur Amyloid-Antikörper-Therapie anders als in anderen Ländern nicht zugelassen habe. Dieses Medikament sei nicht die Lösung, aber doch ein Baustein im künftigen Umgang mit Alzheimer. Entscheidend sei, dass an allen Bereichen wie der Prävention, Früherkennung, Therapie und Versorgung weiter gearbeitet werde.

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie, Michael Rapp, hält vor allem frühe Diagnosen, Prävention und frühe nichtmedikamentöse Therapien, etwa durch Bewegung und sozialen Austausch, für sehr wichtig. Gewisse Demenzen seien ganz verhinderbar.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vernachlässige dieses Thema jedoch seit Jahren, kritisierte Rapp. Es fehle an flächendeckenden Aufklärungskampagen zu Demenzerkrankungen, insbesondere mit Blick auf die Früherkennung und die frühen Therapieansätzen. Der Erfolg einer solchen Kampagne, wie etwa bei HIV/Aids, sei messbar.

“Es gibt in Deutschland noch kein flächendeckendes Demenzregister, aber Schätzungen auf der Basis von Daten aus anderen europäischen Ländern suggerieren, dass bei einem signifikanten Anteil sekundärer Demenzerkrankungen eine Chance auf Stillstand oder Besserung besteht”, so Rapp. Das seien 10 bis 15 Prozent aller Demenzkranken, bei denen sogar eine Heilung möglich sei. Als Beispiel nannte Rapp Demenz infolge einer Schilddrüsenerkrankung. Die neuen Immuntherapien sind aus Sicht des Psychiaters auch wichtig, aber vor allem im frühen Stadium.

“Besonders kritisch wird die Lage in fünf Jahren, wenn die Babyboomer über 80 sind”, so Rapp. Dann werde es vermutlich einen großen Anstieg an Demenzerkrankten geben. Umso wichtiger sei eine frühe Diagnose und frühe Therapie und gute Begleitung der Erkrankten

Hierfür müssen aus Sicht der Vorsitzenden der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Monika Kraus, Unterstützungssysteme weiter aus- und umgebaut werden, damit Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen flächendeckend passende Angebote finden. Die Lage sei erschreckend. Es brauche Strategien gegen den Pflegenotstand ebenso wie eine Pflege- und Versorgungsplanung auf kommunaler Ebene.

Unter dem Motto “Demenz – Gemeinsam. Mutig. Leben.” findet jeweils am 21. September seit 1994 der Welt-Alzheimertag statt. In der gesamten “Woche der Demenz” werden vom 16. bis zum 22. September bundesweit Aktionen organisiert, darunter auch Demenz-Gottesdienste, um auf die Situation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen aufmerksam zu machen.