Hilfswerke zu Haiti: Gewalt bedroht auch Kinder und Schwangere

Hilfsorganisationen verweisen mit Sorge auf die jüngsten Entwicklungen und Gewalteskalationen in dem Karibik-Staat Haiti. Die in Duisburg ansässige Kindernothilfe berichtete am Mittwoch, dass aufgrund der zunehmenden Bandengewalt im Land auch die Situation für Kinder alarmierend sei. Fast die Hälfte der knapp drei Millionen Mädchen und Jungen leide unter akutem Hunger, Schulen seien geschlossen, und die Gewalt gegen Kinder nehme verheerende Ausmaße an. Vorstands-Vorsitzende Katrin Weidemann forderte eine Verstärkung der humanitären Bemühungen in Haiti und mehr Gelder der internationalen Gemeinschaft, „um diesen humanitären Albtraum zu beenden“.

Auch das Medikamenten-Hilfswerk action medeor in Tönisvorst, das nach eigenen Angaben seit 2010 in Haiti tätig ist, berichtete von gravierenden Einschränkungen in der Gesundheitsversorgung. Zwar halte action medeor seine Aktivitäten vor Ort aufrecht, aber dies sei nur eingeschränkt und unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen möglich. In der Stadt Lamardelle unterstütze das Hilfswerk eine Gemeindeklinik im Bereich der Mutter-Kind-Gesundheit. Die Anlieferung eines Ultraschallgeräts verzögere sich, weil selbst Transporte humanitärer Hilfsgüter derzeit überfallen würden.

Bereits seit 2022 werde ein drastischer Rückgang der Geburten in der Klink festgestellt, hieß es. Schwangere hätten Angst, auf dem Weg ins Krankenhaus überfallen zu werden. „Viele kommen deshalb gar nicht oder viel zu spät mit ihren gesundheitlichen Problemen zu uns“, erklärte Sprecher Markus Bremers.

Die Kindernothilfe verwies zudem auf die Bedeutung von sicheren Orten für Kinder. Schulen seien dies längst nicht mehr. „Stattdessen werden die Mädchen und Jungen schon auf dem Schulweg überfallen, Bildungseinrichtungen – selbst Grundschulen – sind Schutzgelderpressungen, Plünderungen und Brandschatzungen ausgesetzt“, erläuterte Weidemann. Lehrer sowie Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen würden gezielt angegriffen, berichtete Landesbüroleiter Pierre Hugue Augustin aus der Hauptstadt Port-au-Prince. Lediglich in ländlichen Gebieten könne der Schulunterricht teilweise stattfinden.

Seit Ende Februar hat die Bandengewalt den Hilfswerken zufolge in Haiti einen neuen Höhepunkt erreicht. Im Mittelpunkt steht die Forderung, dass der amtierende Premierminister Ariel Henry zurücktreten soll. Seine Amtszeit war Anfang Februar abgelaufen. Erst kürzlich hatte er Wahlen für 2025, inzwischen auch seinen Rücktritt angekündigt, sobald ein Übergangsrat eingesetzt wird. Trotz dieser Entwicklungen ist ein Ende der Gewalt nicht abzusehen. Zur Bandengewalt kommen eine anhaltende Ernährungskrise und extreme Preissteigerungen hinzu.