Hilfe für Flüchtlinge

Die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Boostedt ist eine der ersten Stationen, die Gäste des Kirchenkreises Altholstein am Montag besucht haben. Aus Brasilien, Tansania, Schweden, Lettland und Großbritannien sind sie zur Partnerkirchenkonsultation zusammen gekommen. Bis Mittwoch lernen sie unter anderem Schwerpunkte der Arbeit ihrer kirchlichen Kollegen in Altholstein kennen, einer davon ist die Flüchtlingsarbeit.

Den ganzen Montag beschäftigen sich die Gäste und ihre Begleiter aus Altholstein mit dem Thema Flüchtlingen. Am Vormittag haben sie im Gemeindehaus in einem Vortrag die Arbeit der Dietrich-Bonhoeffer-Kirchengemeinde in Neumünster kennengelernt. Pastorin Isabel Frey-Ranck hat ihnen etwa die Sprechstunde vorgestellt, die sie gleich gegenüber der Erstaufnahmeeinrichtung in Neumünster anbietet, unabhängig von Glaube und Konfession.
Auch die Boostedter lassen die Gäste an ihren Erfahrungen teilhaben. Beispielsweise die, die sie mit den regelmäßigen Deutschkursen gesammelt haben oder mit dem Café Welcome im Gemeindehaus, das alle zwei Wochen von 80 bis 130 Flüchtlingen besucht wird. "Manchmal stoßen wir dabei auf kleine, aber alltägliche Probleme", berichtet Dr. Insa Neumann-Kiesel. Sie engagiert sich ehrenamtlich in der Kirchengemeinde. "Wir haben Fahrräder gesammelt und erst dann bemerkt, dass viele unsicher darauf sind oder es nicht gewohnt sind, dass man das Licht einschalten muss", erzählt Neumann-Kiesel.

Begleitung von Flüchtlingen und Helfern

Pastor Thomas Lemke hebt hervor, dass die Hilfe für die Flüchtlinge die eine Sache sei, eine andere die Begleitung der Helfer, die sich regelrecht aufopferten. "Wir müssen darauf achten, einen Burnout zu vermeiden. Viele stürzen sich begeistert in die Arbeit und sind enttäuscht, wenn die Flüchtlinge Boostedt bald wieder verlassen", weiß Lemke.
Auch solche Probleme kommen am Nachmittag ausführlich zur Sprache. Gäste und Altholsteiner diskutieren gemeinsam mit Stefan Schmidt, dem Beauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein. Bedauernd erfahren sie von Schmidt, dass er nur wenig Kontakt zu seinen Kollegen in Dänemark und Schweden hat, selbst jetzt in der aktuellen Krisensituation nicht.
Die Gruppe beleuchtet kritisch die fremdenfeindliche Hetze auf Facebook. "Es besteht dadurch die Gefahr, dass der Mobb eine Regierung vor sich hertreibt", meint die Britin Maureen Hobbs. Der schwedische Kirchenmusiker Patrik Sassersson sieht in einer Zensur Facebooks dennoch keine Lösung. Damit bewirke man womöglich genau das Gegenteil. "Facebook darf kein rechtsfreier Raum sein, kriminelle Äußerungen nicht ungestraft bleiben", fordert der Altholsteiner Propst Stefan Block.

Zeichen der Hoffung: Wir können die Gesellschaft bewegen

Gemeinsam treibt alle Teilnehmer dieser Partnerkirchenkonsultation die Sorge um, dass eines Tages die Stimmung in der Bevölkerung kippen könnte. Dass sich das herzliche Willkommen in eine eher abweisende Haltung wandelt. Maureen Hobbs hat in ihrer Heimat Gedanken ausgemacht, die da heißen: Wenn Flüchtlinge Muslime sind, dann sind sie gefährlich, weil sie radikal sind und deshalb nicht willkommen. "Dagegen müssen wir als Kirche laut unsere Stimme erheben und darauf dringen, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, mehr für sie zu tun", ist die Engländerin überzeugt. Sie nehme von diesem Tag mit, dass es auch für ihre anglikanische Kirche gelte, gut vorbereitet zu sein. Ihr Kollege Propst Stefan Block kommt zum Schluss: "Unser Treffen, unser Austausch, ist ein Zeichen der Hoffnung, dass wir Christinnen und Christen die Gesellschaft bewegen können."  Ein kleines, dunkelhaariges Mädchen kommt der Gruppe entgegen. "Dankeschön", sagt es einfach so, "dankeschön" und lächelt die Besucher an. Oskars Smolaks lächelt zurück. Der Vikar der Lutherischen Kirche Lettlands lässt sich die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge des Landes Schleswig-Holsteins in Boostedt zeigen – gemeinsam mit Haupt- und Ehrenamtlichen aus England, Tansania, Schweden, Brasilien und dem Kirchenkreis Altholstein. "Es ist sehr berührend, wenn ich das Lachen in den Gesichtern vieler Menschen hier sehe. Dabei haben sie ihre Heimat verloren, sind von ihrer Familie getrennt", stellt Smolaks fest. Daraus schließt der lettische Geistliche, wie willkommen sich die Menschen doch in Boostedt fühlen müssen.

Eine Kaserne bleibt eine Kaserne

Die Gäste des Kirchkreises Altholstein werfen einen Blick in den Kindergarten auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände, erfahren, dass gerade Spielzeug für den Sandkasten gebraucht wird. Sie werfen einen Blick in die Kleiderbörse, wo Flüchtlinge vor ihren Augen leere Reisetaschen und Koffer wegtragen: beides begehrt und eigentlich nie ausreichend vorhanden.
So gelangt die Gruppe schließlich in ein Klassenzimmer, wo Angelika Neth Kinder zwischen 6 und 16 Jahren unterrichtet. "Wir bringen den Kindern den ‚Überlebenswortschatz‘ bei", erklärt die Lehrerin. Was sagt man, wenn es einem weh tut? Wie findet man sich im Alltag zurecht? Was heißt eigentlich Bleistift und Radiergummi auf Deutsch? "Aber das Wichtigste, was wir den Kindern vermitteln möchten, ist das Gefühl: Wir sind bei Euch!", beschreibt Neth ihre Arbeit. Maureen Hobbs ist beeindruckt. "Lovely" nennt die Britin den Umgang mit den Kindern und betont, wie wichtig sie das findet. "Hier ist alles so gut organisiert", zieht die Pastorin aus Mittelengland ihr positives Fazit. "Das ist eine gute Verwendung für eine ehemalige Kaserne. Trotzdem, irgendwie wirkt es immer noch wie eine Kaserne", meint Hobbs.