Heiner Bielefeldt: „Koranverbrennungen sind widerliche Akte der Provokation“

Koranverbrennungen haben in den vergangenen Tagen für Aufsehen gesorgt. Der frühere UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit fordert Solidarität mit Muslimen – und mahnt die Medien.

Demonstration in Bangladesh gegen die Koranverbrennung in Stockholm
Demonstration in Bangladesh gegen die Koranverbrennung in StockholmImago / aal.photo

Der langjährige UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, kritisiert öffentliche Koranverbrennungen in Schweden und Dänemark. „Öffentlich inszenierte Koranverbrennungen sind widerliche Akte der Provokation“, sagte Bielefeldt auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Solche Akte stützten sich zwar auf die Meinungsfreiheit, die in freiheitlichen Rechtsstaaten aus guten Gründen weit ausgelegt werde. Er würde dem Strafrecht daher keine zentrale Rolle für den Umgang mit solchen Provokationen zuerkennen, sagte Bielefeldt.

Umso wichtiger sei eine klare Verurteilung. Gefragt seien hier nicht nur Vertreterinnen und Vertreter von Regierung und Parlament, sondern auch die Zivilgesellschaft in ihrer Breite, „darunter nicht zuletzt die christlichen Kirchen sowie Organisationen, die sich im interreligiösen Dialog engagieren“. Es gelte, „Muslimen in der aktuellen angespannten Situation immer wieder glaubhaft zu signalisieren, dass sie in der Abscheu vor solchen sinnlosen Akten der Zerstörung nicht allein sind“, sagte Bielefeldt.

Medien sollen Provokation nicht verstärken

Von den Medien wünsche er sich, „dass sie der Versuchung widerstehen, Koranverbrennungen direkt ins Bild zu setzen“. Sie müssten zwar ihrer Berichtspflicht nachkommen. Dies sollte aber in einer Weise geschehen, „die die Provokation nicht unnötig verstärkt“. In der Berichterstattung dürfe „die Gegenseite nicht fehlen: nämlich der öffentliche Protest gegen Inszenierungen der Religionsverachtung“, sagte Bielefeldt. Er war von 2010 bis 2016 UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Seit 2009 hat der promovierte Philosoph den Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen inne.

Auch der Vizepräsident des katholischen Hilfswerks missio, Gregor von Fürstenberg, hatte öffentliche Verbrennungen und Schändungen des Korans kritisiert. Diese gefährdeten auch Christen im Nahen Osten. Denn christliche Minderheiten würden in ihrer Heimat schnell für solche Aktionen in Mitverantwortung genommen und von politischen Scharfmachern angefeindet.

Jüngst hatten Verbrennungen des Korans und das Trampeln auf der heiligen Schrift der Muslime in Stockholm seitens eines irakischen Geflüchteten für Unruhen und diplomatische Spannungen gesorgt. Die Regierungen in Schweden und in Dänemark prüfen Medienberichten zufolge Möglichkeiten, Schändungen des Korans zu verbieten.

Brücken zwischen den Religionen

Bielefeldt mahnte bei einer Online-Veranstaltung der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart zum interreligiösen Dialog zu sorgfältiger Wortwahl. „Es ist zum Beispiel schon ein Unterschied, ob man vom ‚Dialog der Religionen‘ oder vom ‚interreligiösem Dialog‘ redet“, sagte er. „Interreligiöser Dialog“ klinge offener und schaffe Raum, auch über „uneindeutige Verhältnisse“ zu sprechen. Vielleicht sei es auch sinnvoll, „überhaupt nicht von Dialog oder Trialog der Religionen zu sprechen, sondern einfach von interreligiöser Kommunikation“.

Alle redeten zwar von „Brückenbauen“ zwischen den Religionen – „ich auch“, sagte Bielefeldt. Manchmal seien aber andere Bruchlinien außerhalb des „Brückenbauprojektes“ viel wichtiger. Beim christlich-islamischen Dialog sollten etwa weniger repräsentative Gruppen nicht außen vor gelassen werden, sonst vernachlässige man leicht „die religionsinterne Vielfalt“.