“He gifft mien Seel neei Kracht”
Die Evangelisch-reformierte Kirche hat eine neue Übersetzung der biblischen Psalmen auf ostfriesischem Plattdeutsch vorgestellt. Übersetzer ist der frühere Kirchenpräsident der reformierten Kirche, Jann Schmidt – ein ostfriesisches Urgestein. Das Plattdeutsche ist seine eigentliche Muttersprache, das Hochdeutsche habe er erst in der Schule gelernt, sagt der 76-jährige Theologe. Bis heute verfalle er beim Schimpfen sofort ins Plattdeutsche. Seine zweite große Leidenschaft ist bis heute die Bibel und ihre Botschaft, sagt er.
Vor fast genau einem Jahr stellte Schmidt bereits eine Übersetzung des Neuen Testaments der Bibel in einem zeitgemäßen Plattdeutsch vor. Ein Jahr später folgen nun die Psalmen. Zwar seien sie schon zuvor ins Plattdeutsche übersetzt worden, etwa in den 1980er Jahren in der in Ostfriesland bestens bekannten Ausgabe von Pastor Gerrit Herlyn, erläutert Schmidt. Aber die Sprache habe sich weiterentwickelt – „auch das Plattdeutsche.“ Viele Ausdrücke, die noch vor 30 bis 40 Jahren gegenwärtig waren, würden heute nicht mehr verstanden.
Zunächst habe er Herlyns Übersetzung lediglich aktualisieren wollen, berichtet Schmidt. „Aber mir wurde schnell klar – das ist ein Gesamtkunstwerk. Das muss so für sich stehen bleiben.“ Also übersetzte der einstige Kirchenpräsident die Psalmen von Grund auf neu. Als Fundament dienten ihm der hebräische Originaltext, eine aktuelle Luther-Übersetzung, sowie jeweils eine Übertragung ins Niederländische und ins Englische.
Die Psalmen sind eine Sammlung von 150 Liedern und Gebeten im Alten Testament der Bibel. Die Texte sind teilweise bis zu 3.000 Jahre alt. In ihnen geht es um Dank und Lob, um die Schönheit der Schöpfung, aber auch um Krieg, Verlust und Trauer und die Klage gegen Gott. Von vielen Gläubigen werden die Psalmen aufgrund ihrer Ausdruckskraft als die ansprechendsten Texte der Bibel empfunden. „Als wären sie nur für mich geschrieben“, so charakterisierte der Theologe Ingo Baldermann ihre außergewöhnliche Anziehungskraft.
Es sei herausfordernd gewesen, die alten, vertrauten Texte in eine moderne Form zu übertragen, verrät Schmidt. Als Beispiel nannte er den wohl bekanntesten aller Psalmen, den Psalm 23 (Der Herr ist mein Hirte): Darin heißt in der hochdeutschen Übersetzung Martin Luthers: „Er erquickt meine Seele.“ Herlyn übersetzte dies mit „He verquickt mien Seel“ ins Plattdeutsche. Das allerdings verstünden die Menschen heute nicht mehr, gibt Schmidt zu bedenken. Er habe daher die Übersetzung „He gifft mien Seel neei Kracht“ (Er gibt meiner Seele neue Kraft) gewählt.
„Bis heute sind die Psalmen eine Sprachhilfe in sprachloser Zeit“, unterstreicht Schmidt. „In ihnen finden Betende Worte, wenn ihnen nach eigenen Worten nicht zumute ist oder wenn das Leben ihnen die Sprache verschlagen hat – vor Kummer und Trauer, vor Schmerz oder Einsamkeit.“
Das sieht auch die amtierende Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden so: Sie nennt die Psalmen einen „Schatz“, der zu den emotionalsten Texten der Bibel zähle. Die Lieder und Gebete der Psalmen gäben den Menschen seit Jahrtausenden dauerhaft Kraft und Halt – „anders als die flüchtigen Worte in den allgegenwärtigen sozialen Medien.“