Harter Stoff

In „Aber wir lieben dich“ verarbeitet Afonso Reis Cabral das Schicksal einer drogenabhängigen Trans-Frau. Literarisch kraftvoll, aber mit einem Fehler.

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Die „Anstalt“, so nennen sie das Kinderheim, in dem sie untergebracht sind und in dem das Recht des Stärkeren gilt: Nélson, Samuel und der 12-jährige Rafa, Ich-Erzähler des Romans. Sie schwänzen die Schule, streifen rastlos durch ihr Viertel, steigen manchmal in die alte Bauruine, von deren Obergeschoss aus man weit auf die Bucht von Porto und auf das Meer schauen kann. In dem Haus wird Rafa eines Tages im Kellergeschoss ein Versteck entdecken: Hierhin hat sich die schwerkranke und drogenabhängige Trans-Frau Gisberta zurückgezogen. Rafa freundet sich mit ihr an und hilft ihr. Dann holt er seine Freunde hinzu.

Der Roman ist harter Stoff. Denn der junge, recht erfolgreiche Schriftsteller Afonso Reis Cabral verarbeitet hier den realen Fall der Ermordung der Transsexuellen Gisberta Salce Júnior im Februar 2006 in eben einer Bauruine in Porto. Cabral hat sich intensiv mit dem Gerichtsprozess beschäftigt, hat die Freunde des Opfers gesprochen; die jugendlichen Täter, aus deren Sicht er maßgeblich das Geschehen entwickelt, hat er aber nicht getroffen. Und so bleibt bei aller Anerkennung der literarischen Kraft des Textes ein tiefes Unbehagen ob des Vorgehens des Autors zurück.

Afonso Reis Cabral: Aber wir lieben dich.
Hanser 2021, 304 Seiten, 24 Euro.

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