Handelsverband: “Wir wollen nicht mehr verkaufsoffene Sonntage”

Bislang ist Bayern das einzige Bundesland, in dem es kein eigenes Ladenschlussgesetz gibt. Das soll sich nun ändern. Doch faktisch ändert sich dann nur wenig an der bisherigen Lage. Es bleibt dabei, dass die Öffnungszeiten an Werktagen zwischen 6 und 20 Uhr liegen müssen – und es bleibt auch bei den vier möglichen verkaufsoffenen Sonntagen. Die Einzelhändler finden diese restriktiven Regelungen größtenteils sogar gut, wie der Sprecher des Handelsverbands Bayern, Bernd Ohlmann, dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläutert. Denn die Ausweitung der Öffnungszeiten würde sich für den Einzelhandel nicht lohnen.

epd: Herr Ohlmann, die bayerischen Einzelhändler sind gar nicht so scharf auf längere Öffnungszeiten, wie man sie in anderen Ländern oder auch Bundesländern kennt. Warum eigentlich?

Ohlmann: Die Erfahrungen der Einzelhändler dort zeigen, dass nach der anfänglichen Euphorie schnell klar geworden ist, dass der Umsatz durch längere Öffnungszeiten nicht gestiegen ist. Man kann jeden Euro nur ein Mal ausgeben, das ist doch klar. Selbst in den großen Einkaufsstraßen in Berlin, Frankfurt am Main oder auch in Hamburg ist nach 20 Uhr meistens tote Hose. Die Personalkosten aber steigen, wenn die Öffnungszeiten ausgeweitet werden. Das macht für Kaufleute keinen Sinn. Deshalb wurden die längeren Öffnungszeiten im Einzelhandel größtenteils wieder zurückgenommen – außer im Lebensmittelbereich.

epd: Das heißt, Sie sind als Handelsverband mit den Plänen der Staatsregierung für ein bayerisches Ladenschlussgesetz rundherum einverstanden?

Ohlmann: Rundherum wäre etwas viel gesagt – aber in ganz großen Teilen schon. Wir haben doch jetzt schon vielerorts Personalmangel, sodass die Händler ihre bisherigen Öffnungszeiten kaum noch aufrechterhalten können. In vielen Supermärkten müssen die Öffnungszeiten der Bedientheken eingeschränkt werden, weil das benötigte Personal fehlt. Insofern finden wir es auch als Handelsverband gut, dass an den Werktagen alles beim Alten bleiben soll. Das hätte sonst nur den Wettbewerb weiter verschärft, wenn einzelne große Anbieter mit längeren Öffnungszeiten gegen alle Wirtschaftlichkeit in den Markt drängen.

epd: Sie haben gerade angedeutet, dass es auch Punkte an den Entwürfen gibt, die der Handelsverband nicht so gut findet. Welche sind das?

Ohlmann: Wir hätten uns von der Staatsregierung mehr Klarheit bei den Sonntagsöffnungen gewünscht. Um das klarzustellen: Wir wollen nicht mehr verkaufsoffene Sonntage – schon bislang sind ja pro Kommune bis zu vier verkaufsoffene Sonntage möglich, die in den allermeisten Fällen überhaupt nicht ausgeschöpft werden. Aber: Geblieben ist leider die umstrittene Regelung der anlassbezogenen Sonntagsöffnung. Sie müssen also immer einen Anlass finden, um einen solchen verkaufsoffenen Sonntag zu machen. Das hat uns schon viele gerichtliche Auseinandersetzungen beschert, auf die wir gerne verzichtet hätten.

epd: Herr Ohlmann, ich komme da nicht ganz mit: Sie sagen die ganze Zeit, eigentlich genügt den Händlern der Status quo – woher kommt dann die ganze Debatte über die Ladenöffnungszeiten?

Ohlmann: Von uns jedenfalls nicht. Wir wollen nicht über diese vier möglichen Sonntage hinausgehen – der Sonntag muss heilig und die Ladenöffnung eine absolute Ausnahme bleiben. Zum einen, weil wir auch ganz klar unsere Mitarbeitenden schützen und ihnen einen garantiert arbeitsfreien Tag pro Woche erhalten wollen. Zum anderen, weil es sich betriebswirtschaftlich manchmal erst nicht rechnet, sonntags zu öffnen. Der verkaufsoffene Sonntag ist ein Marketinginstrument, damit sich die Einkaufsstraßen der Innenstädte ihren Kunden präsentieren können. Dass da am Ende viel hängen bleibt, ist die Ausnahme.

epd: Das Thema Ladenöffnungszeiten ist ja ein deutsches Spezifikum – in vielen anderen Ländern haben die Händler zumindest gefühlt immer geöffnet.

Ohlmann: Sie sagen es – gefühlt! Denn in den allermeisten Fällen gibt es beispielsweise in südeuropäischen Ländern, mit Ausnahme der Supermärkte, oft eine Mittagspause, weil zur Mittagshitze ohnehin keiner käme. Man kann die gewachsenen Einkaufsgewohnheiten in Deutschland auch nicht einfach eins zu eins mit denen anderswo vergleichen. Da gibt es viele Punkte: In manchen europäischen Ländern können sie kaum noch mit Bargeld bezahlen – viele deutsche Kunden wollen auf Bargeld aber auf keinen Fall verzichten. Ähnlich ist es bei den Selbst-Scan-Kassen: Im Ausland oft schon Standard, bei uns zwar vorhanden, aber nicht die Regel.

epd: Wie steht der Handelsverband zu den geplanten Regelungen für sogenannte Kleinstsupermärkte? Vor allem die Tatsache, dass die Kommunen über eine Sonntagsöffnung entscheiden sollen?

Ohlmann: Die Kleinstsupermärkte sind mit ihren maximal 150 Quadratmetern sicher mancherorts eine gute Ergänzung – gerade für die Infrastruktur vor Ort. Der Handelsverband sieht sie aber nicht als grundlegende Konkurrenz zu normalen Ladengeschäften, eben weil dort ja kein Personal im Verkauf arbeitet, sondern nur die Regale auffüllt und für Ordnung sorgt. Was die mögliche Sonntagsöffnung angeht, finden wir die angedachte Lösung sogar sehr gelungen. Denn wer, wenn nicht die Lokalpolitik, kann am besten einschätzen, ob es für den Einzelhandel eine zu große Konkurrenz wäre, wenn der Kleinstsupermarkt auch sonntags öffnet?

epd: Nachdem der stationäre Einzelhandel schon mehrmals totgesagt wurde – wird er nun mit Blick auf die Kleinstsupermärkte zumindest weniger personalintensiv und digitaler?

Ohlmann: Das glaube ich nicht. Einkaufen hat ja nicht nur etwas mit Waren besorgen zu tun. Es geht auch um das Soziale und das Erleben: Das Gespräch mit dem Personal an der Bedientheke, das zufällige Treffen von Bekannten im Bekleidungsgeschäft, die Tasse Cappuccino in der Einkaufsstraße – das alles kriegen sie so im Internet nicht. Und es wird auch weniger, wenn sie quasi in überdimensionierten Einkaufsautomaten nur noch selbst ihre Waren zusammensuchen, selbst abscannen und am Ende mit ihrer Bezahlkarte bezahlen. Es gab ja schon ausländische Unternehmen, die all das im deutschen Markt versucht haben und gescheitert sind. (00/2826/21.09.2021)