Haitis Interimspräsident Ariel Henry zurückgetreten

Der arme und von einer tiefen politischen Krise erschütterte Karibikstaat Haiti wird seit Jahren von Unruhen und Gewalt erschüttert. Der Rücktritt von Henry könnte ein erster Schritt für einen Neuanfang sein.

Haitis umstrittener Interimspräsident Ariel Henry ist nach Medienberichten in der Nacht zum Dienstag zurückgetreten. Wie die dominikanische Zeitung „Listin Diario“ berichtet, habe dies der guyanische Präsident Mohamed Irfaan Ali, zugleich amtierender Vorsitzender der Karibik-Gemeinschaft (Caricom) auf einer Pressekonferenz im Anschluss an einen Haiti-Krisengipfel in Jamaika bestätigt. „Wir nehmen den Rücktritt von Premierminister Ariel Henry zur Kenntnis“, sagte Ali demnach und kündigte eine Übergangsregelung an, die den Weg für einen friedlichen Machtwechsel ebnen soll.

Haiti wird seit Jahren von einer schweren Krise erschüttert. Im Juli 2021 wurde Staatspräsident Jovenel Moise ermordet, Neuwahlen sind seit Jahren ausgesetzt. Haitis innenpolitische Kräfte gelten als hoffnungslos zerstritten. Das Machtvakuum haben zuletzt immer mehr bewaffnete Banden übernommen und das Land in Chaos und Anarchie gestürzt.

„Insbesondere in der Hauptstadt Port-au-Prince kann man die Lage nur als katastrophal beschreiben und sie hat sich in den letzten Wochen und Monaten noch einmal verschlechtert. Die Menschen haben praktisch keine Möglichkeiten mehr sich frei zu bewegen, weil sie überall von der Gewalt bedroht sind“, beschreibt der Mediziner Tankred Stöbe von „Ärzte ohne Grenzen“ im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) die Situation vor Ort.

Auch die Kirche sieht Haiti am Rande eines Bürgerkrieges. Die Polizeikräfte seien machtlos gegenüber den bewaffneten Banden, die sich zu einer „organisierten Armee“ entwickelt hätten, sagte Erzbischof Max Leroy Mesidor laut Nachrichtenportal Vatican News dem internationalen Hilfswerk Kirche in Not. In einigen Regionen hätten sich bewaffnete Bürgerwehren gebildet, um die Banden zu bekämpfen. „Es sind viele Waffen im Umlauf“, warnte der Erzbischof des Hauptstadtbistums Port-au-Prince und Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz.

Die humanitäre Krise in Haiti hatte zuletzt immer größere Ausmaße erreicht. Das Land leidet laut UN-Angaben unter einer noch nie dagewesenen Nahrungsmittelknappheit. Fast die Hälfte der Bevölkerung, etwa 4,9 Millionen Menschen, habe nicht genug zu essen, um gesund zu überleben. Haiti gilt ohnehin als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Es wurde in den vergangenen Jahren von Naturkatastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürmen erschüttert, zuletzt kam eine Cholera-Welle hinzu, die Hunderte Tote forderte.