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Gute Augen und fitte Füße beim Wettkampf

In einer Sporthalle in Erlangen herrscht konzentrierte Ruhe, selbst auf den Rängen wird nur leise gemurmelt. Auf zwölf Bahnen rollen die Boccia-Kugeln. Die Sportlerinnen und Sportler versuchen, möglichst nah an den Pallino – die kleine weiße Zielkugel – heranzukommen. Boccia ist eine von 19 Disziplinen bei den Landesspielen der Special Olympics Bayern (SOBY), die bis Freitag in Erlangen stattfinden. Nur wenige Meter abseits in den Nebenräumen der Halle wird dagegen geschäftig gewuselt. In einem Raum stehen an einer Wand mehrere Autorefraktometer: Geräte, mit denen die Sehstärke gemessen wird und die sonst in Augenarztpraxen oder bei Optikern zu finden sind. Auf der anderen Seite des Raumes hängen Sehtest-Tafeln.

Was auf den ersten Blick kaum zusammenpasst, gehört zum üblichen Begleitprogramm bei Special Olympics. Auch bei den diesjährigen Landesspielen haben die rund 1.500 Teilnehmenden mit geistiger Behinderung die Möglichkeit, am Gesundheitsprogramm teilzunehmen. 800 von ihnen haben sich laut Katharina Dreser schon vor dem Event angemeldet. „Viele kommen auch noch spontan vorbei. Uns ist aber wichtig, dass das Angebot absolut freiwillig ist“, sagt Dreser, Landeskoordinatorin für Health Promotion bei den Special Olympics. „Fitte Füße“, „Besser Hören“, „Besser Sehen“ und „Gesund im Mund“ heißen die Angebote. Auch Workshops zu Frauengesundheit gibt es.

Sarah Schertl sitzt auf einem Stuhl und schaut auf eine Sehtest-Tafel. So ganz erkennen kann sie die Reihe an Symbolen, auf die eine ehrenamtliche Mitarbeiterin zeigt, nicht. Eine andere Helferin wechselt per Hand die Gläser an der Messbrille auf Schertls Nase. „Ist es so besser?“, fragt die Helferin, während sie ein Glas mit Sehstärke vorhält. Nach rund einer halben Stunde ist der Sehtest überstanden. „Ich brauche wohl doch eine Brille“, stellt Schertl zerknirscht fest. Die 23-Jährige aus München ist Vorsitzende der SOBY-Jugend.

„Wir wissen, dass Menschen mit geistiger und Mehrfachbehinderung ein um 40 Prozent höheres Risiko haben für vermeidbare Gesundheitsprobleme wie Fehlsichtigkeit, Zahnprobleme oder Fußfehlstellungen“, erklärt Katharina Dreser, die selbst als Oberärztin in der Gynäkologie am Universitätsklinikum Tübingen arbeitet. „Diese werden oft nicht entdeckt, weil manchmal die Betroffenen nicht so gut artikulieren können, was ihnen fehlt, oder Berührungsängste mit Arztpraxen haben.“ Diese Ängste sollen beim Begleitprogramm „Gesunde Athleten“ abgebaut werden. Ärztinnen und Ärzte tragen hier keine Kittel, sondern die T-Shirts der Special Olympics, und alle Helfenden nehmen sich besonders viel Zeit und gehen auf die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung ein.

Auch Andree und seine Mutter Doris Dimbat wollen noch beim Gesundheitsprogramm vorbeischauen. Die beiden kommen vom TSV Altenfurt in Nürnberg. Andree ist begeisterter Schwimmer und bereitet sich gleich auf mehrere Wettkämpfe vor: 50 Meter Freistil, 25 Meter Delfin und die Staffel stehen für ihn auf dem Programm. Anderthalb Jahre lang hat er sich auf die Landesspiele vorbereitet und an mehreren Qualifizierungswettkämpfen teilgenommen. Der Sport tut auch seiner Gesundheit gut, sagt Andrees Mutter. „Gerade beim Startsprung ist der Gleichgewichtssinn sehr wichtig“, erzählt sie. Deshalb nutzen sie gerne das Angebot „Fitte Füße“, „weil er das dort austesten kann“.

Dass die Teilnehmenden überhaupt von Kopf bis Fuß durchgecheckt werden können, ist nur durch ein enormes ehrenamtliches Engagement möglich, weiß Katharina Dreser. „Jede Helferin und jeder Helfer, jede Fachperson hier hat sich extra Urlaub genommen oder wurde von einem kulanten Arbeitgeber freigestellt.“ Für alle Beteiligten sei es trotz des großen Aufwandes eine Win-win-Situation: „Die Athleten haben das Fachpersonal, und bei diesem bauen wir Berührungsängste ab. Wir versuchen immer, möglichst viele Personen in Ausbildung hierzuhaben, damit sie diese Zielgruppe kennenlernen.“ Auch die vielen teuren technischen Geräte und Hygieneartikel, die vor Ort gebraucht werden, kommen von Unterstützern und Sponsoren.

Wird vor Ort ein Problem entdeckt, bekommen die Patienten einen Bogen, den sie zu ihren eigenen Arztpraxen mitnehmen können. Um die Brille muss sich Sarah Schertl allerdings nicht selbst kümmern: Durch eine Kooperation mit einem Augenoptik-Unternehmen werden ihre Werte direkt verschickt. Die fertige Brille kann sie nach spätestens zwei Tagen in der Sporthalle abholen – komplett kostenfrei. (2336/16.07.2025)