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Gustavo Petros kurzer Aufstand gegen Trump

Die Regierung Kolumbiens lässt zwei Abschiebeflüge aus den USA nicht landen. Die Reaktion aus Washington kam prompt. Die Machtverhältnisse sind geklärt – vorerst.

Binnen weniger Minuten wurde die Reaktion umgesetzt: Kolumbianer, die einen Termin für Montag bei der Visa-Stelle der US-Botschaft in Bogota hatten, erhielten per Mail die schlechte Nachricht: Wegen der Weigerung der kolumbianischen Regierung von Präsident Gustavo Petro, zwei Abschiebeflüge aus den USA landen zu lassen, wurden vorerst alle Visa-Termine für Kolumbianer abgesagt.

Auch in den Handelskammern herrschte am Sonntag hektische Betriebsamkeit: “Wenn die USA Strafzölle von 25 Prozent (und dann 50 Prozent) auf kolumbianische Produkte einführen, wird dies unmittelbare und verheerende Auswirkungen haben”, sagte Maria Claudia Lacouture, Präsidentin der kolumbianisch-US-amerikanischen Handelskammer, der Zeitung “El Espectador” in einer ersten Reaktion.

Ähnlich äußerte sich Ex-Finanzminister Jose Manuel Restrepo im Interview des Nachrichtenmagazins “Semana” und wies auf die gravierenden sozialen Folgen hin: “Ich denke da zum Beispiel an den Blumenexport – einer Branche, in der Tausende alleinerziehende Mütter arbeiten.” Die USA sind Kolumbiens wichtigster Exportmarkt für Produkte wie Kaffee, Gemüse oder Obst.

Auch daher wären solche Maßnahmen gravierend. Doch binnen weniger Stunden erwies sich Petros Aufstand als Sturm im Wasserglas. Offenbar haben ihm seine Berater klargemacht, was ein Handelskrieg mit den USA bedeuten würde. Noch-Außenminister Luis Gilberto Murillo vermeldete am Abend: “Wir haben einen Ausweg aus der Sackgasse mit der US-Regierung gefunden.”

Nach Lesart Washingtons klang das etwas anders: Kolumbiens Regierung habe allen Bedingungen von US-Präsident Donald Trump zugestimmt – einschließlich der uneingeschränkten Aufnahme aller illegal eingewanderten Personen aus Kolumbien, die aus den USA zurückgeführt werden; auch in Militärflugzeugen, ohne Einschränkung oder Verzögerung, hieß es in einer Erklärung, die das Außenministerium am späten Abend verschickte.

Damit sind die Machtverhältnisse erst einmal geklärt. Doch ein Nachspiel ist nicht ausgeschlossen. Petros Friedensprozess, der Markenkern seiner Präsidentschaft, steht vor dem Aus. Blutige Gefechte im Grenzgebiet zu Venezuela zwischen linksextremen Guerillagruppen schaffen Zehntausende Binnenvertriebene und fordern mehr als 100 Tote. Petros Zustimmungsraten sind im Keller.

Ebenso schlimm: das zerstörte Vertrauen. Die Regierung Petro sieht keine Basis mehr für die Friedensgespräche mit der ELN-Guerilla. Weil die bewaffneten Banden den Waffenstillstand ausgenutzt haben, um ihre Machtpositionen in den Drogenanbaugebieten auszuweiten, ist die Kokain-Produktion gestiegen. Die US-Drogenfahndung DEA berichtete, im Norden Kolumbiens seien derweil Lagerstätten für Drogen aufgebaut worden.

Das alles dürfte Petros Verhandlungsposition gegenüber Washington weiter verschlechtern. Ihm läuft die Zeit davon: Ende Mai 2026 stehen in Kolumbien Präsidentenwahlen an, Petro bleiben also noch 16 Monate, seine stockenden Projekte umzusetzen. Die diplomatische Niederlage gegen Trump hat seine Position weiter geschwächt.

Doch auch für Washington könnte das rabiate Umgehen mit Kolumbiens Regierung ein Nachspiel haben. Längst sprechen Lateinamerikas Regierungen hinter verschlossenen Türen miteinander, um eine gemeinsame Stimme gegen die USA zu finden. Dass Petro schlecht vorbereitet vorpreschte, zeigte den anderen, dass ein impulsives Vorgehen eher kontraproduktiv ist.

Wenn sich allerdings die bevölkerungsreichen Länder Brasilien, Mexiko und Kolumbien absprächen, die zusammen auf fast 400 Millionen Einwohner kommen und deren Regierungen aus einer ähnlichen linksdemokratischen Grundrichtung stammen, wäre das eine andere Ausgangslage. Dass Brasilien und Kolumbien einen humanitären und menschenwürdigen Umgang bei den Abschiebungen einfordern, ist nachvollziehbar und berechtigt.

Dass sie das erst jetzt tun und nicht schon während der Biden-Regierung, die zu ähnlichen Mitteln griff, macht ihre Forderungen allerdings angreifbar. Die nächste Runde der US-amerikanisch-lateinamerikanischen Machtprobe dürfte nicht lange auf sich warten lassen. Sie wird dann aus dem Süden aber gewiss besser vorbereitet sein als Petros allzu kurzer Aufstand.