Graal-Müritz: Und es wird doch Gottesdienst gefeiert

Der Kirchengemeinderat Graal-Müritz bei Rostock hatte überraschend verkündet: Wir sind erschöpft, die Gottesdienste fallen aus. Doch ein paar Ehrenamtliche lassen das nicht zu.

Prädikant Manfred Jördens hielt den Gottesdienst im Gemeindehaus Pniel, der Winterkirche der Gemeinde
Prädikant Manfred Jördens hielt den Gottesdienst im Gemeindehaus Pniel, der Winterkirche der GemeindeSybille Marx

Ein schlanker Mann im Talar hält die Predigt, fast 40 Frauen und Männer lauschen, schwungvoll erklingt danach das Klavier. Ein ganz normaler Gottesdienst im Gemeindehaus Pniel in Graal-Müritz bei Rostock? Könnte man denken – wenn man nicht wüsste, dass die Gemeinde im Ausnahmezustand ist.

Zum Jahresstart hatte der Kirchengemeinderat (KGR) per Aushang verkündet, die Pastorin sei krankgeschrieben, der KGR erschöpft. Man brauche Zeit zum Luftholen und zur Orientierung. Ab dem 4. Januar würden daher die Gottesdienste ausfallen – bis auf den lang geplanten am 21. Januar mit Prädikant Manfred Jördens.

Graal-Müritz: kein Verständnis für ausgefallene Gottesdienste

Unter denen, die nun diesen Gottesdienst mitfeiern, herrscht Unmut. „Wir wurden überrumpelt“, sagt etwa Reinhard Poppe, der früher selbst im KGR saß. „Dass in unserer Landeskirche etwas nicht in Ordnung ist, unterstreiche ich. Und dass der KGR sich überlastet fühlt, hat er auch angedeutet. Aber Gottesdienste ausfallen lassen? Dafür habe ich kein Verständnis.“ Die Gemeinde habe schon lange Vakanzen überstanden, „die Gottesdienste sind nie ausgefallen!“ Seine Frau Christina Poppe nickt. „Wir haben die Kirchenältesten gewählt, und nun lassen sie uns im Stich. Ich frage mich auch: Was bezwecken sie mit dieser Aktion?“

Im Gemeindehaus Pniel fand der Gottesdienst statt
Im Gemeindehaus Pniel fand der Gottesdienst stattSybille Marx

Dass sonntags jemand vor verschlossenen Türen steht, hat die Gemeinde gar nicht zugelassen. Bei den ersten beiden Januargottesdiensten, die laut KGR ausfallen sollten, ist Ruhestandspastor Karl-Heinz Schröter eingesprungen, erzählt Heike Fritsche-Huth, eine resolute Klinikinhaberin. „Wir sind die Streikbrecher“, sagt die 79-Jährige halb im Scherz. Im Gottesdienst, den ihr Mann Manfred Jördens gerade gehalten hat, hat sie als Lektorin mitgewirkt, ein Ehrenamtlicher Klavier gespielt. Der Handarbeitskreis, das Café Pniel, der Posaunen- und der Kirchenchor laufen weiter. „Es geht auch mal ohne Pastor“, sagt sie. „Es gibt genügend Emeritierte und Ehrenamtliche, die aushelfen.“

Nichts zu sehen vom Kirchengemeinderat

Einer von ihnen: Ruhestandspastor Joachim Puttkammer, der früher selbst in der Gemeinde im Dienst war. „Ich bin gern bereit, hier Gottesdienste zu halten, will mich aber nicht aufdrängen“, sagt er. Und über eines freue er sich: „Sie sehen an der Zahl der Besucher, wie wichtig der Gottesdienst den Menschen hier ist!“ Etwa die Hälfte der Besuchenden an diesem Sonntag seien Gemeindeglieder, die andere Gäste aus den Kur- und Rehakliniken. „Das Rückgrat der Kirche ist eben immer noch der Gottesdienst.“

Von denen, die die Ruhepause beschlossen haben, ist keiner zu sehen. Niko Kähler, der Vorsitzende des KGR, hat sich inzwischen bei evangelische-zeitung.de gemeldet – aber gebeten, ihm bis Februar noch seine Ruhe zu gönnen. Die Welle der Empörung, aber auch der Zustimmung, die der KGR mit seiner Aktion in Online-Foren ausgelöst hat, mache ihm das Luftholen leider schwer. „Wir sind überrascht, dass das solche Kreise zieht.“ Er verspricht: Im Februar werde man wieder zusammenkommen. „Dann beraten wir, wie es weiter geht.“

Heike Fritsche-Huth hofft, „dass diejenigen, die so erschöpft sind, dann mal sagen, was sie leisten können und warum sie so erschöpft sind.“ Gemeinsam werde man sicher Lösungen finden.