Goldene Palme für “Anora” – Iranischer Film als Cannes-Liebling

Das 77. Filmfestival in Cannes war bis zum Schluss spannend wie ein Thriller. Eine Übersicht über die wichtigsten Preise und Gewinner.

Mit viel Spannung sind die Filmfestspiele in Cannes am Wochenende zu Ende gegangen. Unter den vielen höchst interessanten Wettbewerbsfilmen gab es früh etliche Palmen-Kandidaten, allen voran das Transgender-Musical “Emilia Perez” von Jacques Audiard, das hoch gehandelt wurde.

Doch dann drängten auf den letzten Metern gleich mehrere außergewöhnliche Werke ins Rennen. Das erschütternde iranische Drama “The Seed of the Sacred Fig” von Mohammad Rasoulof wurde mit den längsten Standing Ovations des diesjährigen Festivals bedacht.

Rasoulofs packende Auseinandersetzung mit dem theokratischen System wurde denn auch mit dem Kritikerpreis geehrt. Die Ökumenische Jury, die den Film ebenfalls auszeichnete, hob in ihrer Begründung auch auf die religionsgeschichtlich belastete Verbindung von politischer Macht, repressivem Patriarchat und religiösen Strukturen ab. In ihren Augen macht die Mischung aus Subtilität und Nüchternheit, herzzerreißendem Drama und einem Hauch von Humor plus einem hoffnungsvollen Ende den Film nicht nur zu einer “Metapher für jede autoritäre Theokratie”, sondern auch zu einem aufrüttelnden Appell, die Würde des Einzelnen zu achten.

Als bei der Preisverleihung Rasoulof mit einem Spezialpreis der Jury geehrt wurde, war das Rennen um die Goldene Palme plötzlich wieder offen; und als dann “Emilia Perez” mit dem Prix Jury nur auf Platz drei landete, schoss die Spannung nach oben, wer denn am Ende wirklich ganz oben stehen würde. Nachdem das indische Frauendrama “All We Imagine as Light” von Payal Kapadia mit dem Grand Prix überraschend auf Platz zwei landete, glaubte man den Weg frei für ein Gipfeltreffen der Giganten, da Francis Ford Coppola die Präsentation der Goldenen Ehrenpalme für George Lucas übernahm.

Dann aber gab es die Goldene Palme für “Anora” von Sean Baker, einen “unglaublich menschlichen Film, der unsere Herzen erobert hat, uns lachen und hoffen ließ, der uns das Herz gebrochen hat und dennoch nie die Wahrheit aus den Augen verlieren ließ”, wie es Greta Gerwig für die Jury bei der Preisverleihung formulierte.

Baker dreht seit zwei Jahrzehnten sehr genaue Filme über Abhängigkeits- und Machtverhältnisse innerhalb der US-amerikanischen Gesellschaft. “Anora” erzählt von einer jungen Stripperin aus Brooklyn, die für viel Geld einem verzogenen Oligarchen-Sohn eine Woche lang gefällig ist. Als dies in Las Vegas in eine Eheschließung mündet, intervenieren die Eltern von Russland aus, was den dynamischen Film Richtung Komödie treibt, aber auch die Möglichkeit gibt, die Autonomie und Würde der Protagonistin markant herauszuarbeiten.

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Goldene Palme: “Anora” von Sean Penn

Großer Preis der Jury: “All We Imagine as Light” von Payal Kapadia

Preis der Jury: “Emilia Perez” von Audiard Jacquard

Spezialpreis der Jury: “The Seed of the Sacred Fig” von Mohammad Rasolouf

Beste Regie: Miguel Gomez für “Grand Tour”

Bestes Drehbuch: Coralie Fargeat für “The Substance”

Beste Darstellerin: Karla Sofa Gascon, Zoe Saldana, Selena Gomez, Adriana Paz in “Emilia Perez”

Bester Darsteller: Jesse Plemons in “Kinds of Kindness”

Bester Film “Un Certain Regard”: “Black Dog” von Guan Hu

Bester Debütfilm: “Armand” von Halfdan Ullman Tondel

Preis der Ökumenischen Jury: “The Seed of the Sacred Fig” von Mohammad Rasolouf

FIPRESCI-Preis: “The Seed of the Sacred Fig” von Mohammad Rasolouf

FIPRESCI-Preis “Un Certain Regard”: “The Story of Souleyman” von Boris Lojkine

Ehrenpalme: Meryl Streep, George Lucas, das Anime-Studio Ghibli