Gnade und Umkehr
Über Chancen für Sünder schreibt Wolfgang Machtemes. Er ist Pfarrer in St. Florian in Schortens / Sillenstede (Niedersachsen).
Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Der Herr sprach: Wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden.“ aus 1. Mose 4, 12
Kain erschlägt Abel. Klare Sache, das darf man nicht. Das Leben ist etwas Besonderes, ein Geschenk Gottes, das man nicht so einfach nehmen kann. Darüber braucht man nicht lange zu diskutieren. Du sollst nicht töten, lesen wir in den Geboten. Die Strafe folgt sofort. Nicht Todesstrafe, nicht Gefängnis, nein, es folgt Ausschluss aus der Gemeinschaft. Jeder soll sehen, was für einer er ist, und sein Leben soll schwer sein, unstet und flüchtig. Kain soll leiden.
Vor einem deutschen Gericht wäre Kain wegen Mordes verurteilt worden und hätte wahrscheinlich lebenslänglich Freiheitsentzug bekommen, was in der Praxis 25 Jahre Gefängnis bedeutet.
Das ist eine sehr lange Zeit. Die eigenen Möglichkeiten sind auf das Geringste beschränkt. Was ist Ihnen ihre Freiheit wert? Mir ist sie viel wert. Ich würde leiden, wenn man mir die Freiheit nimmt und das Leben schwer wird. Unser Rechtssystem folgt damit im Kern dem Biblischen. Dem Sünder wird Gelegenheit gegeben, über seine Tat nachzudenken. Leider dient unser Strafvollzugssystem dem nicht immer, und mancher gerät erst recht in den Sog der Unrechtmäßigkeit, weil eben draußen keiner so recht was mit so einem zu tun haben will.
Das Kainsmal ist in unserer Gesellschaft das „vorbestraft“, die entsprechende Zeile im Lebenslauf. Das war es dann. Aber soll das sein? In der Geschichte von Kain lesen wir, dass er eine Frau findet und sogar eine Stadt gründet. Kain findet seinen Weg. Er muss nicht bis an sein Lebensende leiden, und sein Leben muss nicht bis an sein Lebensende unstet und flüchtig sein. Da blitzt dann durch, was wir im Neuen Testament über Gnade und Umkehr erfahren. Auf dem Weg der Buße, des Nachdenkens und der Umkehr kann dann doch wieder ein positiver Weg werden. Dazu bedarf es aber zwei Seiten, den Sünder, der bereit ist, die Zeit des Nachdenkens zu nutzen, dann umzukehren und Gutes zu tun. Und auf der anderen Seite braucht es die Gesellschaft, die dem Sünder die Chance dazu gibt. Wir als Teil der Gesellschaft dürfen unseren Teil dazu beitragen.
Unser Autor
Wolfgang Machtemes ist Pfarrer in St. Florian in Schortens / Sillenstede (Niedersachsen).
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.