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Glockengeläut mit Haken

Ist es egal, ob die Glocken, die zum Gottesdienst läuten, mit einem Hakenkreuz geschmückt sind? Die Meinungen gehen auseinander. Eine theologische Überlegung.

Eine Glocke mit Hakenkreuz in Ihrer Kirche – würde es Sie stören, wenn sie zum Gottesdienst läuten würde? Eine kleine Umfrage im Bekanntenkreis ergab sehr unterschiedliche Reaktionen. Von „Die Glocke muss weg“ über „Na ja, ich muss es ja nicht sehen“ bis zu „Nein, wieso? Für mich zählt nicht das Hakenkreuz, sondern das Geläut zur Ehre Gottes“. Allen gemeinsam aber ist ein Moment des Unbehagens: Hitler und das Heilige – das geht schlecht zusammen.
Kirchenglocken mit Nazi-Symbolen haben mehrfach Konflikte ausgelöst (siehe Seite 4). Aber warum? Wir wissen doch: Dinge sind nicht heilig. Man könnte also sagen: Was soll’s? Nicht auf Äußerlichkeiten, sondern auf die innere Haltung kommt es an. Warum also nicht die Glocke in Frieden läuten lassen?
Das Problem ist der Anspruch, der mit einem Symbol verbunden ist. Wer einen Gegenstand mit seinem Zeichen markiert, erhebt darauf ein Anrecht – auf den Gegenstand selbst, auf die Handlungen, die damit ausgeführt werden und auf die Menschen, die ihn benutzen. Darum schmücken wir in unseren Kirchen liturgische Gegenstände wie Abendmahlsgeschirr, Bibeln oder Orgeln mit dem Kreuzeszeichen: Sie gehören Gott. Und wir, die sie nutzen für Abendmahl, Gebet oder Gesang, ebenso.
In diesem Bereich, der ausdrücklich Gott unterstellt sein soll, kann keine andere Macht Bestand haben. Wer sie beansprucht, handelt unangemessen, ja, sogar gotteslästerlich. Und gotteslästerlich war Hitlers Machtanspruch. Ein Mensch, der sich von den Massen gottgleich verehren lässt und Millionen Menschen gnadenlos als „unwert“ vernichtet – widergöttlicher kann menschliche Herrschaft nicht sein.
Was heißt das für den Gebrauch von Hakenkreuz-Glocken? Natürlich wird eine Glocke durch das Hakenkreuz nicht zu einem „widergöttlichen“ Gegenstand – es gibt keinen Bereich, der außerhalb von Gottes Macht liegt, so glauben Christinnen und Christen. Die Glocken läuten zum Lob Gottes, und aus dieser Perspektive wird das Symbol der Hitlermacht lächerlich klein und nichtig.
Und trotzdem stellt sich die Sache aus menschlicher Perspektive noch etwas anders dar. Mag sein, dass es Gott egal ist, unter welchen Symbolen wir uns zum Gottesdienst versammeln. Aber kann es egal sein für uns – und für andere, etwa jüdische Menschen?
Nein, das kann es nicht. Für uns ist es wichtig, zu wissen und auch nach außen zu demonstrieren, dass wir uns zu Gott zählen. Bekenntnis nennt man das – Bekenntnis zu dem Herrscher über alle Mächte dieser Welt. Und dieses Bekenntnis macht sich auch an Symbolen fest. Christinnen und Christen sind dazu aufgerufen, Position zu beziehen – besonders heute, in einer Zeit, in der längst totgeglaubte Symbole und Worte wieder Einfluss gewissen. Darum sollten Kirchenglocken mit Hakenkreuz schweigen. Ihre Zeit ist vorbei und darf nicht wiederkommen.