Glocken verstummen während der Sanierung

Ein Tastendruck auf der Fernbedienung, und die Glocke schweigt: Weil der Kirchturm saniert wird, muss das Geläut der Stellinger Kirche ruhen. Rund drei Monate sollen die Arbeiten dauern.

Der Turm der Stelllinger Kirche ist marode und wird nun saniert. Auch die Zeiger der vier Turmuhren werden restauriert.
Der Turm der Stelllinger Kirche ist marode und wird nun saniert. Auch die Zeiger der vier Turmuhren werden restauriert.Thorge Rühmann und Kristina Tesch

Hamburg. Satt klingen die Glockenschläge, die vom Kirchturm herunterschallen. Es sind die letzten vor der „Zwangspause“: Das Geläut, die Turmuhren und der Kirchturm selbst werden in den kommenden rund drei Monaten saniert. Denn der Turm ist marode, da beim Wiederaufbau der im Krieg zerstörten und heute denkmalgeschützten Kirche in den 1950er-Jahren teils ausgebrannte Ziegelsteine verwendet wurden.

Mit der Zeit sorgten dann Wind, Regen und Kälte dafür, dass sich im Mauerwerk und entlang der Fugen Risse bildeten, durch die immer mehr Wasser eindrang. „Vor allen Dingen müssen die Ziegel und die Fugen überprüft werden“, erläuterte Anne Karakulin, die Pastorin vor Ort. „Das Material ist echt alt und braucht jetzt einfach mal ein Make-over.“

Nur noch eine von insgesamt drei Glocken läutete zum Gottesdienst

So blühte Salpeter im Gemäuer aus, die Feuchtigkeit kroch ins Innere und sorgte dort für weitere Schäden. Bereits 2017 mussten zwei Glocken stillgelegt werden, weil sich am Tragwerk der Glocken starke Roststellen gebildet hatten. Auch die im Gebiet der Nordkirche einzigartigen Schallluken aus Glas sind betroffen. Damit niemand durch Trümmer verletzt wird, sperrte die Gemeinde den Bereich rund um den Turm. Seither läutete nur noch eine Glocke zum Gottesdienst und zu besonderen Anlässen. „Das ist einfach schade“, findet Karakulin, „denn wir haben ja drei Glocken – und nicht nur die Beerdigungsglocke.“

Mehrere Förderer finanzieren die Sanierungsarbeiten

Nun fördern mehrere Geldgeber das insgesamt 260 000 Euro teure Sanierungsprojekt, darunter die Stadt Hamburg, mehrere Stiftungen sowie der Kirchenkreis Hamburg West/Südholstein. Der Turm ist bereits komplett eingerüstet. Jetzt müsse jeder Stein einzeln überprüft werden, so Karakulin: „Damit der Turm wieder sicher ist und nicht noch mehr kaputtgehen kann, als es jetzt schon der Fall ist.“

Um Kosten zu sparen, wird das Gerüst auch für die Instandsetzung von Turmuhr und Geläut genutzt. Dafür muss auch die letzte Glocke zeitweilig verstummen. Das sei schon ein besonderes Gefühl, sagt die Pastorin – schließlich seien die Glocken kilometerweit über dicht besiedeltem Gebiet zu hören. Zumal der kirchliche Betrieb wie gewohnt weitergeht: „Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wie das sein wird, wenn ich am Sonntag hier Gottesdienst feiern werde und es dann still ist – ohne Glocken.“

Auch Zeiger der Turmuhr werden saniert

Auch die Turmuhren werden restauriert. „Wir haben auf allen vier Seiten eine Uhr. Jetzt nutzen wir die Gelegenheit, um zu gucken, wie der Zahn der Zeit an den Uhrzeigern genagt hat“, erläutert Karakulin. Dafür ist Nicola Timmann von der Hamburger Uhrmacherwerkstatt Iversen Dimier zuständig. „Die Zeiger-Rippen aus Stahl müssen definitiv saniert werden, denn sie sind komplett aufgerostet“, sagt sie. Sonst würden über kurz oder lang die Nieten herausgedrückt, sodass die Gegengewichte der Zeiger herabfallen könnten.

Die Reparatur sei kostenintensiv, weil neue Rippen aus Kupfer oder Edelstahl eingesetzt werden müssten. Im Anschluss werde dann geprüft, ob die Farbe ausgewaschen ist – wenn ja, wird die Vorderseite der Zeiger mit Blattgold vergoldet. Timanns­ Kenntnisse rund um Kirchturmuhren fußen auf einer langen Familientradition: Sie ist die Enkeltochter des Werkstattgründers, der vor mehr als 100 Jahren schon das Uhrwerk im Michel-Kirchturm einrichtete.
Ende Oktober, spätestens Anfang November sollen alle Bauarbeiten abgeschlossen sein – und, dann erstmals seit vielen Jahren, das volle Geläut wieder zu hören sein. Dafür setzt sich auch Gunnar Urbach, Pastor und Fundraiser der Nordkirche, ein.

Wer die Sanierung unterstützen möchte, kann Pastorin Karakulin unter Telefon 040/54 51 10 erreichen, weitere Infos sind auf www.kirche-stellingen.com verfügbar.