Artikel teilen:

Gleißendes Licht

Über den Predigttext zum zweiten Sonntag nach Epiphanias: 2. Mose 33, 17b-23

Jrgen Flchle - Fotolia

Predigttext
17 Der Herr sprach zu Mose: Auch das, was du jetzt gesagt hast, will ich tun; denn du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen. 18 Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! 19 Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen den Namen des Herrn vor dir: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. 20 Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. 21 Und der Herr sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. 22 Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. 23 Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.

 

Wir kennen diese Warnung: im Internet möglichst den eigenen Namen nicht nennen, weil andere dann ungeahnte Macht über einen gewinnen können. Auch wenn Gott Mose seinen Namen weitergibt, liefert er sich in gewisser Weise den Menschen aus. Weil der Name Teil der Person ist, nicht nur ein Etikett, das irgendwo dranklebt. Wem ich meinen Namen gebe, dem gebe ich mich ein ganzes Stück in die Hand. Der Name macht es möglich, jemanden im Bedarfsfall ausfindig machen zu können.
Gott nennt seinen Namen so: „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.“ Ein merkwürdiger Name. Ein Name wie ein Programm. Ein Name wie eine Webadresse: Jetzt weiß ich, wo ich mehr von Gott erfahren kann.
Schon einmal hat Gott dem Mose seinen eigenen Namen genannt und sich damit an Mose gebunden. Damals im brennenden Dornbusch: „Ich bin JHWH“. Wie soll man sie übersetzen, diese vier Buchstaben? „Ich bin, der ich bin!“ – „Ich bin, der für euch da ist“. Tatsache ist, Gott selbst offenbart sich in seinem Namen. Bis heute sprechen die Juden diesen Gottesnamen nicht aus. Weil er heilig ist. Weil er nur Gott gehört. Sie umschreiben den Gottesnamen, nehmen ihn nicht in den Mund. Denn der menschliche Mund ist unrein. Aber Gott ist Gott.
In der Begegnung zwischen Mose und Gott wird ganz viel spürbar von Gottes unvergleichlicher Macht und Herrlichkeit. Gott hat eine unglaubliche Macht: Wer ihn von Angesicht zu Angesicht sieht, der muss sterben. Unweigerlich.
Das steht in einem merkwürdigen Widerspruch zu den Weihnachtsgeschichten. Das Kind in der Krippe anzuschauen, davor braucht sich niemand zu schützen, das ist nicht gefährlich. Und so viele vermenschlichte Gottesbilder sind ja eher die eines gütigen, harmlosen, alten Mannes.
Aber so wie Gott dem Mose begegnet, ist das pure Kraft und Energie. Ein mächtiger und gefährlicher Gott. Wohl nennt er seinen Namen und liefert sich damit den Menschen aus, bindet sich an sie. Aber niemand soll sich täuschen: Gott bleibt Gott. Mächtig und unverfügbar.
Er muss Mose schützen, damit er sich ihm zeigen kann. Und immerhin – Gott will nicht nur seinen Namen, seine Erreichbarkeit hinterlassen, nein, er will sogar von Mose gesehen werden. So viel liegt ihm an seiner Bindung an uns Menschen.
Er muss Mose beschützen, damit ihn seine Allmacht nicht tötet. Und er beschützt ihn. Dann darf Mose Gott hinterherschauen, wenn er vorübergegangen ist.
Das kann ein Mensch aushalten. Die Kehrseite Gottes zu sehen. Die Rückseite. Im Nachhinein, wenn Gott vorüber gegangen ist. Den Abglanz. Die Schatten. Dann, wenn es vorüber ist. Es wird erst im Nachhinein offenbar: Hier hat sich Gott gezeigt. Weil Gott in seiner ganzen Macht für uns nicht erkennbar wäre.
Weihnachten ist vorüber. Das Kommen des mächtigen Gottes in unsere oft so trostlose Welt. „Wir sahen seine Herrlichkeit.“ Eine wundersame Erscheinung, – im Griechischen: „Epiphanie“. Doch das gleißende Licht Gottes lässt sich nicht auf Dauer ertragen. Wir sehen Gott im Schatten, in seiner Kehrseite, von hinten, wenn er weitergeht.
Es bleibt unsere Welt im Schatten, mit Erfahrungen der Abwesenheit Gottes. Mit Leid, Terror, Angst und Tod.
Und doch bleiben wir in dieser Welt nicht allein. Gott hat uns seinen Namen hinterlassen. Seine Visitenkarte. Seine Telefonnummer. Seine Webadresse. Sie lautet: Gott schenkt Gnade und Barmherzigkeit. Niemals wird sich seine Adresse ändern. Darauf ist Verlass.
Und niemand kann uns von diesem Gott trennen. Wir haben teil an Gottes Macht, weil er dafür gesorgt hat, dass wir mit ihm in Verbindung bleiben. Also: Rufen wir ihn doch mal an, gehen wir seiner Adresse nach!