Glaube kann in Krisen helfen

Der im Jahr 2000 von der philippinischen Terrorgruppe Abu Sayyaf entführte Göttinger Marc Wallert spricht über Gebete und Glauben in Krisenzeiten.

Familie Wallert am 12.09.2000 endlich wieder vereint vor ihrem Haus am Göttinger Mittelbergring (von links: Marc, Renate, Werner).
Familie Wallert am 12.09.2000 endlich wieder vereint vor ihrem Haus am Göttinger Mittelbergring (von links: Marc, Renate, Werner).epd-bild/Malte Kreutzfeld

Loccum/Göttingen. „Ich bin ein spiritueller Mensch, der erfahren hat, dass der Glaube Menschen in Krisensituationen Kraft gibt“, sagte Wallert dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Und ich glaube auch, dass uns die Gebete vieler Menschen damals geholfen haben. Dafür bin ich bis heute dankbar!“ Er selbst bezeichne sich allerdings nicht als kirchennahen Christen.

Marc Wallert ist heute Experte zum Thema Resilienz

Wallert (46) arbeitet heute als Erfahrungsexperte und Vortragsredner zum Thema Resilienz. Dabei leitet er Menschen dazu an, psychische Widerstandskraft zu entwickeln und schwierige Lebenssituationen ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen. Zuletzt war er an der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg zu Gast bei der Tagung „Grenzenlose Gewalt. Ursachen und Folgen des internationalen Terrorismus“. Vor Schülerinnen und Schülern spricht er dort über das Thema „Überleben und weiterleben“.

Noch immer beschäftige er sich intensiv mit seiner 140 Tage dauernden Geiselhaft im philippinischen Urwald, sagte Wallert. Die letzten Alpträume seien zwar 19 Jahre her. „Aber ich denke häufig an diese Zeit zurück.“ Er habe die Erfahrung als Entführungsopfer sehr gut verarbeiten können. Dabei habe ihm auch geholfen, dass er noch in Gefangenschaft Tagebuch schreiben konnte. „Das war schon der erste Schritt der Verarbeitung.“

Aus Krisensituationen lernen

Marc Wallert war gemeinsam mit seinen Eltern und anderen Touristen während eines Tauchurlaubs in Ostasien von islamistischen Terroristen gekidnappt worden. Damals war er 27 Jahre alt. Die Entführer ließen zunächst seine Mutter, dann seinen Vater und schließlich ihn selbst frei. In die Verhandlungen hatte sich neben dem deutschen Außenministerium auch der damalige libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi eingeschaltet. Es soll Lösegeld geflossen sein.

Wallert betonte, er habe aus dieser Krisensituation viel lernen können: „Vor allem über mich selber. Aber auch darüber, wie Menschen mit Stress umgehen und was dabei hilfreich ist und was nicht, welche Schutzfaktoren Menschen helfen, stark durch Krisen zu kommen.“ Akzeptanz und Optimismus spielten dabei eine wichtige Rolle. „Aber positives Denken kann auch tödlich sein“, sagte Wallert. „Nämlich dann, wenn man vor lauter Optimismus die reellen Risiken ausblendet.“

Humor helfe, eine Krise zu überstehen, betonte Wallert. „Und einen kühlen Kopf zu bewahren.“ Hass auf die Täter habe er damals wie heute nicht empfunden. „Terroristen sind nicht alle auf die gleiche Weise von Hass und Gewalt geprägt.“ Die Terrorgruppe Abu Sayyaf habe sich aus sehr verschiedenen Charakteren zusammengesetzt: „Da gab es vom hassverzerrten Gewalttäter bis zum beinahe hilfsbereiten Mitmenschen große Unterschiede. Jeder einzelne sollte nach seinen Taten beurteilt werden.“ (epd)